Ausgabe 07 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Mit der Videokamera gegen das Kapital

Das Kino Arsenal widmet sich dem politischen Film

Politisches Kino, gibt es das eigentlich noch? Wenn man die Produkte des marktbeherrschenden Industriefilms beiderseits des Atlantiks betrachtet, dann wird man diese Frage umstandslos verneinen können – es sei denn, man möchte den Terminator unbedingt ideologiekritisch analysieren oder sich den „gender troubles" irgendwelcher Zeichentrickfiguren widmen.

Aber ist Bowling for Columbine des streitbaren Dokumentaristen Michael Moore nicht ein Beispiel dafür, daß ein politisch engagierter Film in den Kinos durchaus réussieren kann? Hier ist wohl Vorsicht angebracht, profitierte dieser Film doch vom Meinungs-Mainstream eines vom Kanzler persönlich ausgegebenen Anti-Amerikanismus. Ein politisch triftiger Film zeichnet sich bestimmt nicht dadurch aus, daß er den Standpunkt der Regierung wiedergibt.

Politischer Widerstand muß sich abseits der großen Produktionsapparate organisieren; politisch engagierte Filmemacher werden heute also wohl oder übel zur Videokamera greifen müssen. Im Arsenal, das im September das Schwerpunkt-Thema „Das Politische und das Kino" verfolgt, erhalten auch solche Initiativen ein Forum, die Film als Mittel im politischen Kampf einsetzen ­ naturgemäß ohne im Besitz großer Produktionsmittel zu sein. Zu sehen sind Videos amerikanischer AIDS-Aktivisten, das Berliner Bündnis Recht auf Legalisierung zeigt einen Film über die Schikanen, denen ein armenischer Asylberwerber hierzulande ausgesetzt ist, während der Kreuzberger Buchladen, Verlag und Kommunikationsort b_books sein „Theoretisches Fernsehen" präsentiert.

Eine weitere Programmschiene widmet sich dem Dokumentarfilm, heute eines der letzten Reservate, in dem ein politisches Verständnis vom Filmemachen zu überwintern scheint. Im Kellerkino in der Potsdamer Straße sind Filme über den in Genua von der Polizei erschossenen Carlo Giuliani, über die Situation in Tschetschenien, sowie über die erste „postmoderne Revolution", den Zapatisten-Aufstand in Mexiko, zu sehen. Chantal Akerman ist mit einem neuen Film vertreten, in dem sie die Zustände an der Grenze zwischen Arizona und Mexiko untersucht, und Michael Moore mit einem Film über Wirtschaftspolitik.

Nicht fehlen dürfen natürlich die Klassiker des politischen Films in der Nachkriegs-BRD: Harun Farocki, der sich in einem neuen Projekt mit der „Bildpolitik" des Golfkriegs von 1991 auseinandersetzt, oder Hartmut Bitomsky, dessen Interesse dem Langstreckenbomber B-52 gilt. Jean-Marie Straub und Danièle Huillet hingegen haben einen weiteren Film nach dem Roman Le donne di Messina von Elio Vittorini gedreht. Mit Hito Steyerl ist schließlich eine der wenigen Filmemacherinnen der jüngeren Generation vertreten, deren Arbeit von politischen Impulsen getragen ist. Sie zeigt einen Film über den Potsdamer Platz – und damit einen der raren Beiträge zu diesem Arsenal-Monatsthema, der nicht sonstwohin in die globalisierte Welt führt.

Peter Stirner

> „Das Politische und das Kino", noch bis zum 30. September im Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, Tiergarten, www.fdk-berlin.de

 
 
 
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