Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ungewöhnliche Partnerschaften

Das sei die erste Ausstellung, auf die er richtig stolz sei, meint der Fotograf Florian von Ploetz über die Ausstellung, die jetzt in der Otto-Nagel-Galerie in der Seestraße zu sehen ist. Die Idee dazu entstand zusammen mit der Lebenshilfe Berlin. Mit dieser Organisation, die sich für geistig-behinderte Menschen und ihre Angehörigen einsetzt, kam der 1967 geborene Fotograf erstmals vor zehn Jahren in Berührung, als seine Tochter mit Down-Syndrom geboren wurde – eine Begegnung mit einer bis dahin fremden Welt. Letztes Jahr nun hat Tanja Weisslein vom sogenannten Freiwilligenprojekt der Lebenshilfe die Zusammenarbeit mit Florian von Ploetz gesucht.

Das Freiwilligenprojekt vermittelt den Kontakt zwischen Behinderten und Menschen, die bereit sind, ihre Freizeit mit ihnen zu verbringen und sie für gemeinsame Aktivitäten aus den Wohnheimen und Werkstätten zu holen. Geachtet wird auf die Regelmäßigkeit der Begegnungen; wie genau sich die gemeinsamen Unternehmungen gestalten und in welchen Intervallen sie stattfinden, bleibt den Paarschaften selbst überlassen. Florian von Ploetz hat nun mehr als 20 dieser „Paare" bei ihren Unternehmungen mit dem Fotoapparat begleitet, im Supermarkt, auf Spaziergängen, im Café und in der U-Bahn ­ darunter solche, die sich seit mehr als zehn Jahren regelmäßig treffen und bereits eine Art symbiotische Beziehung miteinander eingegangen sind, aber auch solche, die sich erst seit ein paar Monaten kennen.

Zu den Schwarzweiß-Bildern, die während der Ausflüge der Paarschaften entstanden sind, kamen in einem zweiten Durchgang Farbfotos, die Ploetz in den Räumen des FOEN X Photostudios, in dem er mit zwei Kollegen arbeitet, inszeniert hat. Die Fotografen nutzen derzeit vorübergehend die so großzügigen wie pittoresken Räume der aufgelassenen Kinderbibliothek in der Leipziger Straße.

26 dieser Paarungen sind nun auf je zwei Fotos in der Otto-Nagel-Galerie zu sehen. So unterschiedlich wie diese Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Beziehungen, in denen sie zueinander stehen. Das teilt sich auf den Fotos mit. Das Verhältnis zweier Frauen beschreibt Ploetz als eine „Kuschelbeziehung", während ein älterer und ein jüngerer Mann sichtbar ein distanzierteres Verhältnis pflegen. Manche posieren selbstsicher und spielerisch vor der Kamera, während andere offenbar irritiert sind von der Situation. Vor allem aber frappiert den Betrachter eines: Es ist keineswegs immer so klar zu entscheiden, wer von den Portraitierten der „Behinderte" ist und wer der „Normale".

hb

> „Das Leben an die Hand. Fotografien von Florian von Ploetz", noch bis zum 7. August in der Otto-Nagel-Galerie, Seestraße 49, Wedding, Di bis Fr 15 bis 19 Uhr, Sa 15 bis 18 Uhr

 
 
 
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