Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Künstler willkommen

Die Auguststraße in Berlin-Mitte, Paradebeispiel für die Durchmischung aus Kunst, Kommerz, Krach und Küche. Egal von welcher Seite man sich nähert, im Abstand von wenigen Schritten findet man mindestens ein Café, eine Galerie, einen zur Straße hin geöffneten Büroraum, der den Blick auf rund um die Uhr arbeitende Werbe-Computer-Medien-Junkies freigibt, einen Kindergarten oder eine „Internetlounge". Abwechslung ist Programm, da ist für jeden etwas dabei. Eine kulturelle Einrichtung verbirgt sich hinter der Nummer 21: das Kulturhaus Mitte.

1893 von der Stadtgemeinde Berlin erworben, in den Folgejahren ausgebaut und bis 1997 als Schule genutzt, steht der dreigeschossige Klinkerbau heute unter Denkmalschutz. Das Kulturhaus Mitte eröffnete die Gebäude im September 1999 mit einer Ausstellung in der Galerie Weißer Elefant. Das traditionsreiche Kulturhaus mußte sein altes Domizil in der Rosenthaler Straße verlassen. Der neue Standort war zu dieser Zeit eine unwirtliche Baustelle. Die Außenfassade wurde erst vier Jahre später, im Frühjahr 2003, fertig. Nun folgt der kostspielige Innenausbau.

Das Kulturhaus Mitte versteht sich als kommunaler Treffpunkt und Kommunikationsort in Mitte. Die öffentlich nutzbaren Räume geben jungen Künstlern und gemeinnützig arbeitenden Vereinen die Möglichkeit, sich öffentlich zu präsentieren. Daß jeder Künstler willkommen ist, dokumentiert das reichhaltige und völlig unterschiedliche Programm. Die Eintrittspreise sind moderat, niemand soll ausgeschlossen werden; das Konzept ist einfach: Der Steuerzahler zahlt, also kann auch jeder kommen.

Die Gebäude des Kulturhauses beherbergen eine Fülle von Institutionen und Angeboten. Während im Vorderhaus die Verwaltung, etwa das Büro für dezentrale Kulturarbeit, sowie die Galerie Weißer Elefant untergebracht sind, ist das komplette Hinterhaus öffentlich nutzbar. Im Erdgeschoß befindet sich der Salon, der maximal 80 Personen Platz bietet. Es gibt dort Kleinkunst-Veranstaltungen aller Art, etwa Chansonabende, Weltmusik, Jazzveranstaltungen, Lesungen. Bemerkenswert sind einige regelmäßige Veranstaltungsreihen, etwa die Konzerte mit improvisierter Musik am Donnerstag, die „Hörspiele zum Zugucken" am Dienstag oder die Abende mit französischen Chansons. Das erste Obergeschoß ist die Kinder- und Jugendetage: Dort findet die Jugendkunstschule „Farbklang" Platz, der Verein „Förderband", der als Zusammenschluß von Künstlern u.a. das Theaterhaus Mitte betreibt, sowie die berlinweit einzige Schule für Klezmermusik, das „Klezmer Zentrum". Das zweite Obergeschoß ist bisher noch nicht saniert. Dort sollen verschiedene Angebote entstehen, etwa ein Tonstudio, diverse Projekträume sowie ein großer Veranstaltungssaal in der alten Aula. Die Remise im Hof hat das „Neue Problem", eine freie Künstlergruppe, bezogen, die dort Ausstellungen und Aktionen organisiert.

Im März 2003 sprachen sich der Bezirk und der Kulturausschuß der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für den Erhalt des Standortes aus. Für das Kulturhaus ein wichtiges Zeichen, denn der Erhalt und der Innenausbau des Gebäudes kosten eine Menge Geld. Drei Standorte, das Theaterhaus, das soziokulturelle Zentrum Jojo und das Kulturhaus Mitte, kann sich der Bezirk aber nicht leisten. Alternative Formen wie die Überführung der Institutionen in eine freie Trägerschaft sind mögliche Lösungswege. Eine bunte Zukunft ist dem kleinen, aber feinen Kulturinstitut allemal zu wünschen. Denn ansonsten muß man sich mit der grausligen Vision konfrontieren, die Auguststraße komplett an hippe Büro- und Artlounges abzugeben. Kunst bewahre!

Alexander Hollensteiner

 
 
 
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