Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurznachrichten

privat

Vier Jahre früher als geplant will der Senat aus den sogenannten Entwicklungsgebieten aussteigen. Nach jahrelangen Versuchen, den Trägern mit Steuergeldern auf die Beine zu helfen, sollen die halbfertigen Projekte 2006 abgebrochen werden. In Spandau, Biesdorf, Adlershof, an der Rummelsburger Bucht und auf dem ehemaligen Schlachthofgelände an der Eldenaer Straße werden also wohl doch keine blühenden Wohn- und Gewerbegebiete, keine richtigen „Wasserstädte" oder „Spreemarinas" und auch keine glanzvollen „Innovationszentren" entstehen. Darum ist es nicht schade. Ärgerlich nur, daß die Allgemeinheit auch dafür noch bezahlen muß. Denn in der Euphorie der Neunziger hatte man den privaten Entwicklungsträgern großzügige Garantien gewährt. Sollte sich das Land aus allen Projekten herausziehen, muß es die Schulden der Immobilienmanager begleichen ­ und obendrein Entschädigungen zahlen.

peripher

Vor einem Jahr bezogen 50 junge Architekten, Designer und Künstler aus 17 Ländern ein leerstehendes Hochhaus in Hellersdorf. Das Zwischennutzungsprojekt „dostoprimetschatjelnosti" wurde im Herbst 2002 beendet; seitdem wartet der Plattenbau, der sich als überraschend vielseitig nutzbar erwiesen hatte, auf Investoren. Das Projekt hingegen stößt immer noch auf Interesse. Im Junius Verlag ist nun ein gleichnamiges Buch erschienen, das neben Reportagen aus der Peripherie, Utopien und Kunst auch eine Anleitung zum Bau eines „dosto-chairs" aus alten Küchenschränken enthält.

patriotisch

Die unbeliebte Bezirksreform hat jetzt unerwartete Fürsprecher bekommen: Die „Bewegung Groß Friedrichshain" beging am 21. Juni die 1998 beschlossene Übernahme Kreuzbergs. Nicht ohne der BRD diplomatische Beziehungen anzubieten, beansprucht sie die Unabhängigkeit des Großbezirks. Von Johannes Rau, mit dem die Friedrichshainer Verhandlungen suchen, werden sie ignoriert; in Kreuzberg indes formiert sich Widerstand in Form der „Kreuzberger Landwehr in Gründung". An der Oberbaumbrücke kam es zum Showdown. Das Spaßgefecht, bei dem mit Lebensmitteln gekämpft wird ­ traditionell vom Senat toleriert ­ fand dieses Mal keine Gnade. Die Demo wurde nur mit der Auflage genehmigt, auf das „Werfen von Dingen und das Verspritzen von Flüssigkeiten" zu verzichten. Ein Zusammenstoß mit der humorlosen Polizei war also vorprogrammiert. Den Sieg reklamierten alle drei Seiten für sich.

prominent

Schon seit Jahren soll die Straße Unter den Linden dem Vorbild der dreißiger Jahre angepaßt werden. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder findet sie angesichts ihrer „internationalen Prominenz" zu häßlich. Darum werden nun für rund 12,5 Millionen Euro die Gehwege um knapp fünf Meter verbreitert, was dazu führen wird, daß die Linden mitten auf dem Fußweg stehen. Da aber Alleebäume nun einmal an den Fahrbahnrand gehören, werden sie ein paar Meter umgepflanzt, was im Regelfall die Fällung bedeutet. Außerdem will Strieder, statt die Fahrbahn zu verengen, alle sechs Fahrstreifen ein Stückchen Richtung Mittelstreifen verlegen lassen. Auch dort dürften die meisten Bäume dran glauben. Während die PDS sich mit fiesen Sticheleien über Strieders Kompetenz zufrieden geben muß, kündigten die Grünen harte Oppositionsarbeit an. Wie in alten Tagen will sich ihre stadtentwicklungspolitische Sprecherin, Claudia Hämmerling, mit den Ihren „schützend vor die Bäume stellen". Wenn nicht Finanzsenator Thilo Sarrazin das Schlimmste verhindert.

termine

> Noch bis zum 12. Juni bietet der Pavillon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz diverse Veranstaltungen zum Thema Stadt und Architekturpolitik. Das Projekt heißt „Hier entsteht" und findet im Rahmen der „ErsatzStadt"-Reihe der Volksbühne und der Kulturstiftung des Bundes statt. Die Organisatoren rufen zum Mitmachen auf. Informationen unter: www. ErsatzMedia.info, Kontakt: Tanja Meyle, fon 0160/2906959 oder Henrik Schulte, fon 0171/9868509

> Am 12. Juli ab 14 Uhr findet in der Rigaer Straße in Friedrichshain ein Straßenfest unter dem Motto „Berlin Umsonst" statt: Informationen, Musik, Varieté, Filme, Volksküche und ein „Umsonst-Flohmarkt"

> Zum 250jährigen Gründungsjubiläum der Rosenthaler Vorstadt finden bis September Ausstellungen und Aktionen zur Geschichte und Gegenwart des Kiezes statt, unter anderem zahlreiche „Stadtspaziergänge". Unter den Veranstaltungsorten ist auch das leerstehende Jandorf-Kaufhaus Brunnen-/ Ecke Veteranenstraße, das demnächst umgenutzt werden soll. Das Programm gibt es beim Frauentreff Brunnhilde, Rheinsberger Str. 61, Mitte, fon 4494688

> Dem Odessa wurde in der Sanierungsbeilage voreilig der Abschied gesungen. Die vielen bittenden Nachfragen ermutigten den Wirt zum Weitermachen. Weiterhin also allabendlich: Odessa, Steinstraße 16, Mitte

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scheinschlag lädt ein

zum Offenen Redaktionstreffen ins Café Village Voice, Ackerstraße 1a. Über künftige Autoren freuen wir uns, auch Neugierige sind willkommen. Das nächste Treffen findet am Sonnabend, dem 9. August 2003, um 14 Uhr statt.

 
 
 
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