Ausgabe 06 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Beide weg

Noch bis zum 26. Juli ist es endlich möglich: Die Öffentlichkeit kann sich mit eigenen Augen überzeugen, was vom Palast der Republik noch übrig ist. Im Rahmen der diesjährigen „Schaustelle Berlin" wird die DDR-historisch bedeutsame Ruine zur Besichtigung freigegeben – nach Voranmeldung und nur unter Führung zwar, aber ohne jene anti-moderne und pro-preußische Propaganda, die aus den Reisebussen vor der Tür tönt. Organisiert wurde die Aktion vom Verein „Zwischen Palast Nutzung", der sich seit längerem um eine Zwischennutzung bemüht.

Nachdem die Presse in den letzten Monaten schon technische Detailfragen des Abrisses diskutiert hat, nimmt man den Palast nun wieder als nutzbares, ja sogar nützliches Bauwerk wahr. An seinem Abriß läßt dennoch niemand Zweifel aufkommen. Abreißen ist nunmal das Einfachste.

Weil dem so ist, droht auch dem Internationalen Congress-Centrum (ICC) in Charlottenburg das Ende. Wie der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller bekanntgab, steht das Kongreßzentrum, das wegen seiner überhohen Betriebskosten ein schlechtes Geschäft ist, auf der Abschußliste des Senats. Die Auslastung ist zwar vorbildlich, nach Auskunft der Betreiber sogar europaweit die beste. Aber das läßt sich ändern: Wenige Wochen, nachdem im Senat die Schließungsdebatte begann, hatten schon mehrere Kongresse abgesagt ­ offenbar aus Sorge, eine Ruine zu reservieren. Wenn das so weitergeht, ist das ICC bald so leer wie sein abgewrackter Ostkollege.

Gleichzeitig und in Konkurrenz zueinander erbaut, waren das ICC und der Palast der Republik vor allem Prestigebauten. Beide wurden kräftig mit Asbest durchseucht und gelten als städtebaulich fragwürdig, weil isoliert vom städtischen Leben. Und so war es nur natürlich, daß das ICC den Verteidigern des Palastes immer als Argument herhielt: Wenn der West-Schrott stehenbleiben darf, warum fällt dann unser Palast? Nun also die denkwürdige Antwort des SPD/PDS-Senats: Beide weg!

jt

 
 
 
Ausgabe 06 - 2003 © scheinschlag 2003