Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Kurzkultur

urban

Einmal im Jahr, für zwei Tage bringt sich Neukölln als Ort der Künste in Erinnerung. Das Festival „48 Stunden Neukölln" – der Name läßt eigentlich an eine ausgedehnte Sauftour denken – findet bereits zum fünften Mal und mit einer neu geschaffenen „Neukölln-Card" als Festivalpaß für 5 Euro statt. Die halbiert, wie die alte Bahncard, die Eintrittspreise. Dabei geht es ortstypisch nicht allzu distinguiert zu: Neukölln rockt nicht nur, es „folkt" und „popt" auch. Dazu gibt es eine „interaktive StraßenPerformance", die allseits beliebte Kunst in Schaufenstern und aufgelassenen Läden sowie einen fliegenden Teppich, wie es dem multikulturellen Bezirk wohl ansteht. Für Kinderbelustigung ist auch gesorgt.

> „48 Stunden Neukölln" von 20. bis 22. Juni mit Veranstaltungen im ganzen Bezirk, www.48-stunden-neukoelln.de

abgetan

Seit der Abwicklung des DDR-Rundfunks ist das Funkhaus in der Nalepastraße nur noch ein sporadisch und in Teilen genutzter Ort. Das ist schade. Zum einen, weil das 1956 von Franz Ehrlich erbaute Haus sehenswerte Architektur ist; zum anderen, weil es über einen Sendesaal mit hervorragender Akustik verfügt. Durch die 2. Berliner Hörfestspiele wird das Funkhaus jetzt für zwei Tage wiederbelebt. Zu hören sind dort Höhepunkte aus der Produktion des DDR-Rundfunks am Ort ihrer Entstehung. Und wer nicht in die Nalepastraße findet, kann sich an einen Shuttleservice halten.

Die 2. Berliner Hörfestspiele unter dem Motto „Nalepasound" am 21. und 22. Juni ab 11 Uhr im Funkhaus Nalepastraße 10-50, Köpenick, „Audio-Shuttlebusse" fahren von 11 bis 18 Uhr ab Hackescher Markt

simultan

Das RESERVOIR VII in den unterirdischen Wasserspeichern nahe des Kollwitzplatzes beschäftigt sich diesmal mit dem Thema Überfluß. Eine Performance mit Musik von Schönberg bis Zappa, Texten von Platon bis G.W. Bush, Funktelefon und Flötensolo bietet eine der vier Uraufführungen im Kleinen Wasserspeicher; nebenan ­ im Großen Wasserspeicher ­ eine Installation aus Licht, Klang und Materie.

ERESERVOIR VII – UEBERFLUSS: die Ausstellung im Großen Wasserspeicher, Eingang Belforter Straße, beginnt am 13. Juni um 18 Uhr und ist noch bis zum 20. Juli zu sehen, geöffnet Di bis So von 15 bis 21 Uhr. Die Performance „Free Flow" von scram findet am 11. und 12. Juni jeweils um 21 Uhr im Kleinen Wasserspeicher, Eingang Diedenhofer Straße, Prenzlauer Berg, statt.

kurdistan

Das Filmkunsthaus Babylon wartet im Juni nicht nur mit einer reichlich überflüssigen Clint Eastwood-Retrospektive auf („Keiner ist so erbarmungslos cool wie er"), das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz wird auch wieder zum Treffpunkt von kurdischen Filmemachern aus aller Welt. Eröffnet werden die 2. Kurdischen Filmtage mit Kleine Freiheit von Yüksel Yavuz, der Geschichte eines jungen illegalen Einwanderers in Hamburg. Einen Schwerpunkt bilden Filme von und über irakische Kurden, Gelbe Tage etwa über die Recherchen einer Musikethnologin im Nordirak. Wahrscheinlich nicht erbarmungslos cool, aber doch von Interesse sind auch die Filme von Nino Jacusso, der sich mit dem Schicksal kurdischer Flüchtlinge in Europa auseinandersetzt.

> 2. Kurdische Filmtage vom 13. bis zum 22. Juni im Filmkunsthaus Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Mitte, www.kurd-filmfestival.com

filigran

Seit 2001 finden in der ifa-Galerie in loser Folge Ausstellungen statt, die sich mit dem Themenkomplex Nationalität-Identität beschäftigen, mit den „weltumspannenden politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen des letzten Jahrzehnts" ­ Globalisierung also. In der aktuellen Ausstellung Getting closer zeigen vier armenische Künstler Gemälde, Fotos, Videos und Computergeneriertes. Achot Achot tupft immerhin noch eigenhändig Farbe auf Leinwände, während Karine Matsakian Blicke auf Männerkörper riskiert, die in der armenischen Gesellschaft einen Tabubruch bedeuten, wie die Galerie erklärt.

>„Getting closer – Vier Armenier suchen einen Ausweg", noch bis zum 3. August in der ifa-Galerie, Linienstraße 139/140, Mitte, Di bis So 14 bis 19 Uhr

fischtran

Am 11. Juni beschäftigt sich Falko Hennig in seiner Reihe Radio Hochsee mit Heroin – natürlich nur theoretisch. Gast-Experte Dietmar Bartz stellt sein Buch Heroin – Vom Medikament zur Droge vor. Schließlich galt Heroin noch bis Anfang des letzten Jahrhunderts als effektives Schmerzmittel. Am 26. Juni geht es dann um Riesenkraken, die zwar wenig erforscht sind, dafür um so öfter in Spielfilmen auftreten. Dr. Michael de Ridder kann berichten, wer den berühmten Kampf zwischen Kraken und Wal gewinnt.

> Radio Hochsee, am 11. und 25. Juni, jeweils um 20 Uhr im Kaffee Burger, Torstraße 60, Mitte

satan

Pünktlich zum schwullesbischen Monat Juni, wenn Straßenfest und Christopher Street Day wieder Partytouristen in die Stadt locken, hat das Kreuzberg Museum die Ausstellung Von anderen Ufern über 120 Jahre lesbisches und schwules Leben in Kreuzberg und Friedrichshain eingerichtet, die mit „sensationellen Einblicken" aufwarten will. Der Werbetext wartet mit Klischees auf, mit „schrillen Tunten und kessen Vätern" und „Abgründen in den Kokainkellern der 20er Jahre".

> „Von anderen Ufern. Geschichte der Lesben und Schwulen in Kreuzberg und Friedrichshain", noch bis zum 30. September im Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95a, Mi bis So 12 bis 18 Uhr

roman

Die Lyrikerin, Prosaistin und scheinschlag-Kolumnistin Brigitte Struzyk liest aus ihrem im nächsten Frühjahr erscheinenden Roman Schwebend unwirksam. Darin versucht eine Frau, sich das heutige Leben einer Gruppe zu vergegenwärtigen, die zehn Jahre zuvor am 9. November am Brandenburger Tor fotografiert wurde.

> Lesung und Gespräch mit Brigitte Struzyk am 12. Juni um 20 Uhr in der Inselgalerie, Torstraße 207, Mitte. Eintritt 3,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro

veteran

Während andere Sänger jenseits der 50 anfangen zu tingeln oder sich zur Ruhe setzen, hat Louie Austen mit lässiger Experimentierfreude vor drei Jahren einen souveränen Neustart hingelegt. Mit seinem Image als Salonlöwe und Entertainer im weißen Anzug gibt er eine perfekte Vegas-Show. Das aber nicht vor Bigband-Kulisse, sondern mit elektronischen Beats zwischen Samba und Trash, House und Swing. Zur Veröffentlichung des zweiten Albums bei dem Berliner Label Kitty-Yo gibt es eine Release-Party im ehemaligen Westberliner Glamourpoint Big Eden ­ es könnte keinen besseren Ort geben.

> Louie Austen am 18. Juni um 21 Uhr im Big Eden, Kurfürstendamm 202, Charlottenburg

 
 
 
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