Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Ateliers statt Metzgereien

„Zu vermieten" – Schriftzüge dieser Art zieren im Gebiet um die Pankower Florastraße nahezu jedes dritte Ladengeschäft. Das wenige Ecken weiter in der Breiten Straße gelegene Rathaus-Center zieht auch noch den letzten potentiellen Kunden ab. Bis auf die eine oder andere Bäckerei oder Eckkneipe hat hier kaum noch jemand eine Chance auf ein halbwegs rentables Geschäft. Dies deutlich zu machen und vielleicht eine Änderung anzubahnen, haben sich die Initiatoren des nunmehr zum zweiten Mal stattfindenden Projektes Leerstand-Kunstvoll vorgenommen. Es soll der Versuch unternommen werden, nicht nur temporär Kulturschaffende mit Interessierten in Verbindung zu bringen, indem leerstehende Geschäfte mit Kunstobjekten verschiedenster Couleur gefüllt werden, sondern man verspricht sich auch, dem Kiez neue Attraktivität zu verleihen. Das Projekt, das im Auftrag des Bezirksamtes Pankow von der AG Stadtplanung und der BBJ Service GmbH organisiert wurde, gibt Künstlern die Möglichkeit, in den von den Eigentümern oder Noch-Mietern zum Betriebskostenpreis zur Verfügung gestellten Läden ihre Werke zu präsentieren.

Die Palette reicht von atmosphärischen Architektur-Darstellungen in Öl, eher bodenständigen Töpferwaren über kleine Bleistiftzeichnungen und große Skulpturen bis hin zu anregend philosophisch betexteten Postkarten oder gar Strickkleidern in kräftigen Tönen. Die Bemühungen, in der beschaulich bis verlassen wirkenden Umgebung den Passanten auf sich aufmerksam zu machen, sind dabei vielfältig. Während man in der Wollankstraße 2 beim ur.sprung durch einen Kreide-Schriftzug auf dem Gehweg versucht, die bisherige Kundenzahl von einem (!) Besucher in vier Tagen und damit den bescheidenen Umsatz von 70 Cent etwas zu erhöhen, gelingt es der Galerie Florasoft in der Florastraße 10, durch einen im Freien aufgestellten Tisch mit Kaffee und Kuchen so etwas wie eine familiäre Kiez-Idylle aufzubauen und en passant den einen oder anderen für die abstrakten Gemälde zu interessieren. Man wäre mit 20 bis 30 Gästen zu einer Veranstaltung schon ganz zufrieden, heißt es, die Mundpropaganda täte ein Übriges.

In der Tat umfaßt der Veranstaltungskalender von Leerstand-Kunstvoll in der Zeit vom 14. Mai bis zur Finissage am 13. Juli über 50 Einträge. Angeboten werden Lesungen, Kurzfilmabende, Konzerte, Modellier-Workshops, kulinarische Treffen und spezielle Aktionen für Kinder. In den Kernzeiten mittwochs von 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr sind alle neun im Gebiet zwischen Mühlenstraße, Brehmestraße und Wollankstraße gelegenen Ladengalerien geöffnet – darüberhinaus je nach den Möglichkeiten der Künstler im Sinne eines offenen Ateliers. Bleibt nur zu wünschen, daß die Einnahmen in dieser Zeit wenigstens die Kosten decken, denn bereits für Juli ist eine nächste Ausstellungsrunde geplant.

Thorsten Kußmack

> Informationen gibt es in den beteiligten Läden, bei der AG Stadtplanung – Sanierungsbeauftragte unter fon 88680580 oder im Internet unter www.leerstand-kunstvoll.de.

 
 
 
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