Ausgabe 05 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Betreuungskunden und ihre Fallmanager

Vermarktung der Arbeit (V): Neustrukturierung der Arbeitsämter

Bisher war ausschließlich die Rede von den Arbeitsmarktreformen, die die Arbeitslosen unmittelbar betreffen und damit auch am meisten interessieren dürften. Mit den Gesetzesänderungen geht jedoch auch eine grundlegende Neustrukturierung der Verwaltung einher, die die Arbeitslosen ebenfalls spüren werden und die möglicherweise einen Schlüssel zum „Erfolg" des Reformprojektes darstellt.

JobCenter oder Sozialamt

Zentrale Anlaufstelle für alle, die von staatlichen Unterhaltszahlungen leben wollen, wird in Zukunft das in JobCenter umbenannte Arbeitsamt sein. Neben der Arbeitsvermittlung sollen dort nach den Plänen der Hartz-Kommission alle arbeitsmarktrelevanten Beratungs- und Betreuungsleistungen gebündelt werden: Die JobCenter übernehmen demnächst also auch die Funktionen von Sozialamt, Jugendamt, Wohnungsamt, Sucht- und Schuldnerberatung. Gleichzeitig sollen sie als Schnittstelle für die Zeitarbeitsagenturen (PSA) dienen.

Parallel dazu werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe weitgehend zusammengelegt. Die hierfür erforderlichen Regelungen werden sich auch auf die Finanzen der Gemeinden auswirken, die bisher die Sozialhilfe bezahlt haben. Deshalb soll sich eine weitere Kommission mit dieser Neuerung beschäftigen, so daß mit einer endgültigen Regelung frühestens im kommenden Jahr zu rechnen ist. Wenigstens für die Arbeitsplätze der Kommissionsmitglieder ist also gesorgt.

Künftig soll jeder, der nach Ansicht der Bürokraten arbeiten kann, Leistungen nur noch aus einer Hand, nämlich vom JobCenter, erhalten. Drei Leistungen wird es geben: Erstens das Arbeitslosengeld I, das in Höhe und Dauer dem bisherigen Arbeitslosengeld entspricht und aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung finanziert wird. Zweitens das Arbeitlosengeld II, das als unbefristete Grundsicherung arbeitsloser, aber „erwerbsfähiger" Menschen dient und mit Steuergeldern bezahlt wird. Drittens wird es auch weiterhin ein sogenanntes „Sozialgeld" geben, welches alle nicht erwerbsfähigen Personen erhalten und das in der Verantwortung der Sozialämter verbleibt. Zu den von der Erwerbspflicht Befreiten gehören beispielsweise Mütter im Erziehungsurlaub, Asylbewerber und Flüchtlinge.

Durch die Neuregelung sollen die „Zeit- und Reibungsverluste" vermieden werden, die man bisher dem Nebeneinander zweier Sozialleistungssysteme unterstellte. Wesentlich wird die Entscheidung darüber sein, ob jemand als erwerbsfähig gilt oder nicht. Klare Kriterien für eine solche Einteilung fehlen bisher allerdings, so daß es Konfliktpotential innerhalb der Verwaltung geben wird. Man kann nur hoffen, daß sich die zu erwartenden Reibungsverluste zuungunsten der Ämter und nicht der Arbeitslosen auswirken.

Innerhalb der Berliner Verwaltung kann man schon auf erste praktische Erfahrungen verweisen. Seit Sommer letzten Jahres existieren hier einheitliche Anlaufstellen für Kombibezieher, also Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, und einige Modellprojekte zur Arbeitsvermittlung junger Sozialhilfeempfänger. Es hat sich gezeigt, daß die Vermittelbarkeit eines Erwerbsfähigen ausschlaggebendes Kriterium sein muß, um ihn an das JobCenter zu verweisen. In zukünftigen Gesetzestexten kann sich dieses Kriterium besonderer Aufmerksamkeit sicher sein. Nur, wie soll bei der derzeitigen Lage des Arbeitsmarktes die Vermittelbarkeit geschätzt werden? Ob jemandes Arbeitskraft verfügbar und damit auch, ob JobCenter oder Sozialamt zuständig ist, hängt schließlich nicht zuletzt von der Kompetenz der Arbeitsvermittler ab.

„Kundenorientierung" der JobCenter

Dies führt zu einem weiteren Punkt, der von der Hartz-Kommission gefordert wurde: der Verbesserung der Beratungs- und Betreuungsleistungen durch das JobCenter ­ natürlich auf der Grundlage einer neuen Philosophie der Effizienz und Kundenorientierung. Das neoliberale Vokabular läßt Böses ahnen. Zukünftig soll eine „Clearingstelle" dem Kunden als Wegweiser dienen und den eigentlichen Arbeitsvermittlern den Großteil der administrativen Arbeiten abnehmen. Man will zwischen „Informationskunden", „Beratungskunden" und „Betreuungskunden" unterscheiden. Letztere sind nach dieser Logik die Schwerkranken unter den Arbeitslosen, diejenigen mit „erheblichen Vermittlungshemmnissen", die von speziell ausgebildeten „Fallmanagern" zu betreuen sind. Die Einteilung der Bevölkerung in soziologische Kategorien diente schon immer einer besonders effizienten Disziplinierung.

Doch selbst wenn man diese Vorschläge für begrüßenswert und sinnvoll hält, stellen sich leise Zweifel ein, ob die erhöhte Aufgabenvielfalt und intensivere Beratung mit dem heutigen Personalbestand der Ämter überhaupt bewältigt werden kann. Einerseits ist die zur Verfügung stehende Zeit für die Betreuung knapp, da die Anzahl der Arbeitslosen pro Mitarbeiter hoch ist; andererseits erfordert eine bessere Vermittlungsleistung entsprechende Qualifikationen auch seitens der Betreuer. Beides kostet Geld, worüber weder Bund noch Land in ausreichendem Maße verfügen.

Bisherige Erfahrungen zeigen auch, daß die öffentlichen Stellen mehr und mehr dazu übergehen, einen Teil ihrer Aufgaben an private Dritte zu übertragen, um Verwaltungsstellen einzusparen. So werden sich bald einige bisherige Arbeitsamtsmitarbeiter von ihren Kollegen beraten lassen dürfen. Das Auslagern von Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung ist zudem auf lange Sicht mit erhöhten Kosten verbunden, weil die privatisierte Dienstleistung bezahlt werden muß. Obendrein müßte eigentlich deren Qualität permanent kontrolliert werden. Da aber vorausschauendes Handeln und Planen generell nicht zu den menschlichen Stärken gehört und schon gar nicht zu den Stärken einer von Sparzwängen bedrängten Verwaltung, wird wohl diese Hartzsche Vision einer „effizienten Kundenbetreuung" auf dem Weg durch die bundesweite und Berliner Finanzwüste verdursten.

Berit von Kurnatowski

 
 
 
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