Ausgabe 04 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag
 

Unterredung mit freundlichem Vogelgezwitscher

Saddam Hussein nimmt Jörg Haider für sich ein

Imperialistische Gelüste der USA, Bin Ladin als Produkt der CIA, die Terrorunterstützung des Irak als Propagandalüge – Einschätzungen, die man in den letzten Monaten auf jeder Anti-Kriegsdemo hören konnte. Man kann sie auch im neuen Buch des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider lesen. Was sind das nur für Zeiten, in denen die Analysen von Gauweiler, Haider und Konsorten teilweise vernünftiger klingen als die von Joseph Fischer?

Im letzten Jahr hat Haider dreimal den Irak bereist, zweimal ist er mit Staatschef Saddam Hussein zusammengetroffen. Das erste Treffen im Februar 2002, das für den bereits auf dem Weg zum Flughafen befindlichen Haider völlig überraschend arrangiert wurde, sorgte damals für ein weltweites Medienecho, das der österreichische Politiker nur als Teil einer Kampagne gegen seine Person verstehen kann. Der humanitäre Aspekt dieser Reise sei geflissentlich übersehen worden, beklagt sich Haider, und außerdem sei er ja zuvor als erster österreichischer Politiker zur Stelle auf „Ground Zero" gewesen.


Abbildung aus dem Buch

Schon das erste Treffen mit Hussein, schreibt Haider, habe sein Leben verändert: „Erstens weil ich der US-Propaganda keinen Glauben mehr schenke, und zweitens auch deshalb, weil ich erleben mußte, wie unwichtig im politischen Spiel der Kräfte auch in Österreich der Faktor Menschlichkeit geworden ist." Bei Saddam Hussein erlebt Haider eine „Atmosphäre der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit", zeigt sich überzeugt von der „scharfen Logik", den „klaren Argumentationslinien" und seinem „historischen Wissen". Sogar zu Scherzen ist der Iraker aufgelegt. Man bezeichne ihn deshalb als Diktator, weil er alle seine Minister dazu verpflichtet hätte, Zigarren zu rauchen. Der Nichtraucher Haider, der die kubanische Zigarre zunächst abgelehnt hatte, fügt sich.

Das Buch, das noch eilig vor Kriegsbeginn zusammengeschustert wurde, enthält auch einen historischen Abriß und eine Zitatsammlung von Kriegsgegnern, von Konstantin Wecker bis zum Papst, den Haider ja auch gerne besucht. Haider, der betont, in der Palästinenserfrage mit Saddam Hussein übereinzustimmen, wird bei einem „mystischen" nächtlichen Treffen mit seinem Sohn Udai ob dessen rabiatem „Anti-Zionismus" denn doch etwas mulmig. Im übrigen ist er, wie Möllemann, ein guter Freund der arabischen Welt, den es auch nicht wirklich schrecken kann, wenn er beim syrischen Verteidigungsminister ein Blumenstilleben gezeigt bekommt, das Adolf Hitler gezeichnet hat ­ der ganze Stolz von Mustafa Tlas.

Noch entspannter gestaltet sich dann die zweite Begegnung mit Saddam Hussein im November; durch ein offenes Fenster ist gar Vogelgezwitscher zu hören: „Saddam hielt meine Hand lange fest, als er sich verabschiedete. Irgendwie hatte dieser Abschied etwas Endgültiges." Haiders Ahnung sollte sich bewahrheiten. Es sei denn, es stellt sich noch heraus, daß Saddam Hussein Asyl in Kärnten gefunden hat. Es ist nun mal so: „Das Leben ist eben lebensgefährlich in diesem Teil der Welt."

Peter Stirner

> Jörg Haider: Zu Gast bei Saddam. Im „Reich des Bösen". Ibera Verlag, Wien 2003. 19 Euro

 
 
 
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