Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
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Harter Bursche, harte Arbeit, hartes Brot

Ich konnte das Buch nicht eher aus der Hand legen, bis ich auch die letzte Seite gelesen hatte. Das Überraschende daran ist, daß es sich bei dem Buch um kein im herkömmlichen Sinne gutes handelt: nicht selten holperig in Ton und Stil, klischierte oder schiefe Sprachbilder, wenn überhaupt eine, dann keine spannende Geschichte. Erklären läßt sich meine Besessenheit aus dem (scheinbaren) Widerspruch zwischen der Behauptung des Titels und dem tatsächlich Erzählten. Und zudem einer durch die Lektüre sich immer stärker herauskristallisierenden Erkenntnis.

Das autobiografische Werk von Dirk Schauen heißt: Das fast normale Leben eines Bohrmeisters. Vom Ölbohren, Biertrinken und Autofahren. Eine Heldengeschichte also, mit wilden Abenteuern in fremden Ländern, denkt man, und es ist vom Autor, dem „harten Burschen", genau so gemeint. Das Leben von Schauen nun, das er des öfteren als „verrückt" bezeichnet, sieht so aus: Er ist in Libyen, in Südafrika, in Brunei, und er tut was? Er bohrt nach Öl, trinkt Bier und fährt Autos zu Schrott. Viel mehr macht er nicht. Denn bohren, trinken, Schrott produzieren lassen keine Zeit für andere Beschäftigungen. Zwischendurch passieren verschiedene Unfälle am Bohrloch, aber „das steckt er weg". So geht das über Jahre, Jahrzehnte hinweg. Ja, sein Leben ist „hart" (die Lieblingsvokabel Schauens) und ohne besondere Abwechslung: immer dasselbe in unendlicher Wiederholung.

Man liest das Buch wie die 142seitige Bestätigung eines längst gehegten Verdachts: Das Leben eines Helden ist in Wirklichkeit entsetzlich langweilig und banal. Allein, die Lektüre wird gerade dann interessant: Wenn man Schauens Text als Apologie, nein, Glorifizierung der Tristesse begreift, eine Umwertung der Werte.

Roland Abbiate

> Dirk Schauen: Das fast normale Leben eines Bohrmeisters. Vom Ölbohren, Biertrinken und Autofahren. Frieling Verlag, Berlin 1999. 8,40 Euro

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