Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
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Jeder kann schreiben

Die Frieling-Eule drückt schon mal ein Auge zu, wo Ullsteins allzu ähnliches Wappentier vermutlich nur entgeistert starrte. Das hat seinen Grund: Frieling ist ein Privatverlag und „Frieling versteht sich als Einrichtung der Talenteförderung. Die Veröffentlichung bleibt allerdings solchen Autoren vorbehalten, die den Qualitätsansprüchen des Verlages entsprechen und sich nach Prüfung ihres Manuskriptes bereit erklären, die Kosten für die Herausgabe zu übernehmen." Daß der Verlagschef seinen Autoren mit gutem Beispiel voranzuschreiten weiß, belegt er mit vier seinen Ansprüchen offenbar entsprechenden Ratgeber-Bänden, die recht unverhüllt die Trommel rühren: Wenn das Heftchen Goldene Worte für jeden, der schreibt mit dem A wie Absicht beginnt, „Werke zu schaffen, die über den Tag hinaus gehen", um als Z wie Ziel zu deklarieren, daß „die Buchveröffentlichung in einem Verlag das eigentliche Ziel jedes Menschen, der schreibt, verkörpere", so ist nicht allein ein simpler didaktischer Lauf durchs Alphabet vollzogen, sondern der Sehnsucht ungehörter Talente die Richtung zur eigenen Verlagstür gewiesen... Wilhelm Ruprecht Frieling verrät uns in Kunst des Schreibens, woher er solche Gerissenheit nimmt: „In strengem Sinne ist ein gern gelesener Schriftsteller stets auch ein erfolgreicher Verkäufer. Wie dieser ist der Autor bemüht, das Interesse seiner Zielgruppe zu wecken und sie zum aktiven Aufnehmen seiner Botschaft zu motivieren." Die Botschaft des Autors Frieling in den Ratgebern für unpublizierte Autoren des Verlages Frieling & Partner nun motiviert zum Interesse an der Aufnahme ins Verlagsprogramm.

Der Erfahrung folgend, daß in Werbebroschüren stets das Gegenteil des philosophisch überhöhten Gefasels zutreffend sei, blättern wir durch Frielings Goldene Worte, deren Artikulation allein schon Beispiel dafür gibt: Wo Worte so gülden prangen, wird stets gebrochenes Schweigen versilbert... „Am Anfang steht das Wort", profanisiert Frieling da den Wortlaut heiliger Schrift zugunsten gequälter Schreiberseelen, und „ist der Anfang erst einmal zu Papier gebracht, dann läuft alles wie von selbst". Wir vermuten daher, daß Frieling nicht allein die Schubladenkarren voll von privat gebliebenen Manuskripten in den verlegerischen Blick nimmt, sondern den Zustrom auch bislang verhinderter Schreiber sich sichern will. Unterm Stichwort Autor lesen wir sodann: „Der Autor ist der eigentliche Stern am Literaturhimmel"; das Eigentliche, wissen wir, tritt immer dort zutage, wo das Wirkliche gegenteilige Prioritäten setzt.

Wir springen zum Stichwort Buch: „Bücher sind gedruckte Humanität" lassen wir unkommentiert, wenn aber „das Buch das Gefäß des Schriftstellers ist", andererseits „Bücher wie salziges Wasser sind" und man, „je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird", fühlen wir ­ falls als Autor definiert ­ uns mächtig zum Salz der Erde verklärt, bis uns das Salzwasser aus tränenden Augen auf die frischverfaßten Zeilen fällt: Ja, „die Metapher ist die kühnste Ausdrucksform des Sprachbildners", fürwahr! „Bücher genießen Ewigkeitswert", ruft's aus den Remittendenkisten, auch wenn dann letztlich „die Macht des Faktischen zählt. Kein Einsatz sollte zu hoch sein, um dieses Ziel zu erreichen: das eigene Buch", schreibt uns Frieling hin: Ein paar tausend Euro sind da sicher nicht zuviel verlangt. „Aus der Sicht des Autors ist Glück, nicht Umsatz der Sinn des Schreibens", schreibt der Autor Frieling als Verleger. Mit dem Bilde spielend, daß die Gründung einer Bank die Beraubung einer solchen übertreffe, empfehlen wir hingegen allen Autoren von der Güte Frielings, ihm folgend weitere Verlage zu gründen, denn: „Jeder Autor braucht einen Verleger", und Menschen, die gerne Autor wären, sind zahllos vorhanden...

Ralf B. Korte

> Wilhelm Ruprecht Frieling: Goldene Worte für jeden, der schreibt. Frieling Verlag, Berlin 1994. 5 Euro

Wilhelm Ruprecht Frieling: Über die Kunst des Schreibens. Frieling Verlag, Berlin 1994. 10 Euro

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