Genre: Berlin

Dominik Kiefls Erzählungsband Ecstasy. Im Sog der Großstadt hat alles, was nötig ist, um als Berlin-Buch klassifiziert zu werden. Handlungsorte der Berlin-Bücher sind stets Mitte, Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Charlottenburg und Wilmersdorf tauchen höchstens mal als Gegenorte auf, an denen man sich aus Prinzip nicht freiwillig aufhält. Die ganz Mutigen wählen sogar mal Neukölln als Schauplatz (allerdings ein Neukölln, das sich kaum von gängigen Kreuzberg-Mitte-Klischees abhebt). Von Pichelsdorf, Mariendorf oder Biesdorf ist nie die Rede.

Kiefls Buch kann als Repräsentant für ein ganzes Genre gelten: Dessen Bild von Berlin findet sich einfacherweise bereits in den Titeln der locker miteinander verwobenen Geschichten: „Speed", „Porno", „EXTASY-Bar", „Ali", „Die Nuttenstory" oder auch „Heroin". Die Protagonisten der Berlin-Bücher sehen sich zum Verwechseln ähnlich: Sie sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, haben selten Geld, arbeiten aber noch seltener, nehmen alle erdenklichen Drogen, zählen mindestens einen Türken zu ihren besten Freunden, haben viel und außergewöhnlichen Sex, gehen ins Flammende Herzen und die Ankerklause, nachts ins WMF oder in die Arena. Sie sind chaotisch, unpolitisch, ambitionslos und lassen sich durch nichts beeindrucken; schließlich leben sie ja in Berlin, und dort gehören krasse Erlebnisse zum gewöhnlichen Alltag. Wer davon noch nicht gelangweilt ist und Stoff braucht, um die Provinzler beim Heimaturlaub zu beeindrucken, dem seien Kiefls Erzählungen ans Herz gelegt. Zumindest versucht er gar nicht erst, seine Berlin-Romanze mit literarischem Ehrgeiz zu vertuschen.

Susann Sax

Dominik Kiefl: Ecstasy. Im Sog der Großstadt. Geschichten aus Berlin. Frieling Verlag, Berlin 1999. 6,40 Euro