Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
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Menschenrecht Buch

Bei Frieling wird (fast) alles gedruckt

„Glück, persönliche Befriedigung, wachsendes Prestige, bessere Arbeits- und Aufstiegschancen, mehr Aufmerksamkeit und Respekt von Freunden, Arbeitskollegen und Vorgesetzten" verspricht die Internet-Seite des Frieling Verlages. Man macht keinen Hehl daraus, daß es sich hier um keinen Verlag im klassischen Sinne handelt. Geschäftsführer Dr. Johann-Friedrich Huffmann versteht die Firma als Dienstleistungsunternehmen: Wer für seine mühevolle, einsame Schreibarbeit zumindest ideell entlohnt werden möchte, kann beim Frieling Verlag ganz auf ihn zugeschnittene Leistungen erwerben und sein Manuskript veröffentlichen lassen – indem er dafür zahlt.

Je nach Auflagenstärke (durchschnittlich 2000 Stück), Seitenzahl, Aufwand für Produktion und Öffentlichkeitsarbeit variiert der Preis für ein solches Unternehmen zwischen 2000 und 30000 Euro, was jeweils etwa 70 Prozent der Publikationskosten entspricht. Auf der Internet-Seite wird der Zaudernde umworben: „Wäre Goethe vielleicht ein Namenlos, hätte er seinerzeit abgelehnt, sein eigenes Werk (Götz von Berlichingen) finanziell zu fördern?"

Es gibt neben Frieling noch einige andere Verlage, die zahlungswilligen Autoren ihre Dienste anbieten: u.a. Haag + Herchen, Nora, gleich zwei Fischer Verlage: R. G. Fischer und Karin Fischer. Die Frieling & Partner GmbH ist einer der ältesten und größten derartiger lukrativer Verlage. Hin und wieder gerät eine dieser Agenturen ins Gerede, wie etwa der Fouquet Verlag, oder in die Schlagzeilen: weil sich Autoren von ihren Verlegern betrogen fühlen, weil versprochene Leistungen nicht zufriedenstellend oder überhaupt nicht gebracht wurden. Frieling zumindest scheint solide Arbeit zu leisten, was die Betreuung seiner Kunden betrifft.

Die vom Verlag deklarierte oberste Maxime lautet Qualität statt Billigangebote. Diese Qualität soll gewährleistet werden durch „Lektorat, professionelle Gestaltung, solide Bindung, Präsenz bei Buchmessen, Veröffentlichungen von Rezensionen". Sollten sich tatsächlich alle Exemplare eines Buches verkaufen, übernimmt der Verlag die vollständigen Kosten für eine Nachauflage. Außerdem hält man sich zugute, daß jedes eingeschickte Manuskript mit einem kurzen individuellen Gutachten statt mit frustrierenden Standard-Ablehnungen beantwortet wird ­ selbst wenn es zu keiner Veröffentlichung kommt, weil der Möchtegern-Autor gerade nicht flüssig ist oder sein Text die Qualitätsprüfung nicht bestanden hat. Denn auch der Frieling Verlag publiziert nicht alles. Strafrechtlich relevante Schriften wie volksverhetzende Propaganda oder harte Pornographie werden abgelehnt, auch Schriften, deren Veröffentlichung den Verlag oder den Autor schlicht blamieren würden, wie es in der Diktion von Geschäftsführer Huffmann heißt. Auch von den Mitarbeitern ethisch nicht Vertretbares wie eine jüngst angebotene Anleitung zum Selbstmord stünden auf dem Index.

Dennoch geht es bei Frieling weniger um literarischen Ehrgeiz. Der Autor und sein Wunsch nach Exhibition stehen im Mittelpunkt. So besteht die Aufgabe von Zdenka Hruby, die für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Verlag zuständig ist, oftmals eher in der Präsentation des frischgebackenen Buchautors als von dessen Werk. Der Besuch einer Verfasserin persönlicher Erfahrungen mit Alzheimer in der Fernseh-Talk-Show Fliege etwa wertet man bei Frieling als großen Erfolg. Überhaupt ist der Verlagskatalog voll von persönlichen Erinnerungen und Erfahrungsberichten. Huffmann verspricht Authentizität und bedauert nicht, daß der Stil oftmals schwer konsumierbar ist, da nicht jede Lebensbeichte von der Transformation in die Buchform profitiert. Was Großmutter am Kamin erzählt, mag spannend sein, lesen möchte man es deshalb nicht unbedingt.

Das Überwiegen persönlicher Bekenntnisse und menschelnder Lyrik ist auch dafür verantwortlich, daß die Werke oft an Qualität zu wünschen übrig lassen, selbst in den Augen der zuständigen Lektoren. Für die Autoren ­ selbst die mit, nun ja: künstlerischem Anspruch ­ gilt Bearbeitung fast immer als Entstellung und Kürzung als Verstümmelung. Ein ernstzunehmendes Lektorat, das über orthographische Korrekturen hinausgehen würde, wird in der Regel abgelehnt. Auch was die Gestaltung der Bücher betrifft, haben viele Kunden bereits feste Vorstellungen, die dann auch umgesetzt werden. Wenn der Autor darauf besteht und, natürlich, die Kosten übernimmt, wird sein Wunsch erfüllt.

Das Prinzip, jede Entscheidung letztlich den Autoren zu überlassen, wird von Frieling als Beispiel für demokratisches Handeln apostrophiert; man deutet die Freiheiten, die man den Autoren gewährleistet, zur Freiheit des Wortes um ­ eine fragwürdige Vorgehensweise, profitiert der Verlag doch gleichzeitig vom unbedingten Willen zur Selbstdarstellung und der Fetischisierung des Buches: „Unsere Autoren sind Menschen, die Spuren hinterlassen wollen. Bücher hinterlassen Spuren."

Daß der Frieling-Verlag sich obendrein als Einrichtung zur Talenteförderung sieht, mag trotz erheblichem Aufwand an individueller Betreuung nicht sehr einleuchten. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß mal ein Autor über die Warholsche Berühmtheit hinaus zu Ruhm und Ehren gelangt und seine Arbeit in einem herkömmlichen Verlag unterbringt, doch Beispiele fallen Huffmann und Hruby gerade keine ein. Die Veröffentlichung in einer der zehn Frieling-Jahrbücher dagegen ist schon für 166 Euro zu bewerkstelligen.

Susann Sax/Gertrude Schildbach

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