Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kurzkulturtermine

militarismus

Ein Film, „entstanden aus der Sorge um die Erhaltung des Friedens ­ gemäß dem historischen Auftrag, dafür zu sorgen, daß niemals wieder von deutschem Boden ein Krieg ausgeht": Wie furchtbar der US-amerikanische Militarismus schon kurz nach Kriegsende in West-Berlin bis in kriminelle Vereinigungen wie den RIAS vorgedrungen war und warum nur der anti-imperialistische Schutzwall das Schlimmste verhüten konnte, zeigt eine DDR-Dokumentation aus dem Jahre 1962.

> Ein Spaziergang durch die Geschichte Berlins im Film, jeden vierten Sonntag im Monat um 11 und um 18 Uhr in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, Prenzlauer Berg. Am 3. März: „Schaut auf diese Stadt" von Karl Grass mit einem Text von Karl-Eduard von Schnitzler

historismus

Früher endete er an der Hinterlandsicherungsmauer, heute führt er „mitten ins Zentrum der Macht": Der Schiffbauerdamm hat eine wechselvolle Geschichte. Elmar Haardt ist vom Berliner Ensemble bis zur Bundespressekonferenz, von den DDR-Plattenbauten bis zum ehemaligen E-Werk der Bewag spaziert und hat die Straße mit der Kamera porträtiert.

> „Karrieren einer Straße – der Schiffbauerdamm" im Institut für Europäische Ethnologie, Schiffbauerdamm 19, Mitte. Mo bis Fr 10 bis 20 Uhr

modernismus

Sein Lieblingsbuch ist das auch von uns sehr geschätzte Rückläufige Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache: Oskar Pastior liebt es, sprachliche Versuchsanordnungen zu schaffen, auf daß Sinn und Unsinn unvorhersehbar ins Kraut schießen. Für sein neuestes Buch hat Pastior Baudelaires Gedicht „Harmonie du soir" gerüttelt und geschüttelt. Die „43 intonationen" o du roher iasmin werden in der Akademie der Künste von der Bundeskulturbeauftragten Christina Weiss eingeführt, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern etwas von Kunst versteht.

> Buchpremiere von Oskar Pastiors „O du roher iasmin. 43 intonationen zu ,Harmonie du soir' von Charles Baudelaire" am 16. März im Foyer der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten

feminismus

Mit einer Ausstellung wartet der Frauentreff Brunnhilde zur „2. Langen Nacht der Frauen" auf. Der 5. Teil der Ausstellungsreihe „Berlinerinnen, die Geschichte machten" beschäftigt sich mit Hannah Karminski und Martha Wygodzinski (s. auch „Vergessene Biographien" 5 und 14), die beide in Nazi-Deutschland ermordet wurden. In der Langen Nacht werden Sonderführungen angeboten.

> Der 5. Teil von „Berlinerinnen, die Geschichte machten" ist noch bis zum 31. März im Frauentreff Brunnhilde, Rheinsberger Str. 61, Mitte, zu sehen

quietismus

Zur Record-Release-Party lädt die Berliner Band Contriva ein. Ein entspannter Abend mit melancholischen Baßläufen, warmen Sounds aus Tasteninstrumenten und meist ruhigem Gitarrenspiel versprechen Kaminzimmer-Atmosphäre. Das Kunststück, Songs dicht und genau zu plazieren, macht Contriva zu einer der tollsten Instrumentalbands Berlins, und so dürfte einem gelungenen Wochenendausklang nichts entgegenstehen.

> Contriva am 23. März um 21 Uhr im Maria am Ufer, an der Schillingbrücke, Friedrichshain

postmodernismus

Am Mythos der „Tödlichen Doris" wird schon seit Jahren eifrig gestrickt. Im Verlag Martin Schmitz erscheint nun bereits der vierte Band über das Wirken der Westberliner Achtziger-Jahre-Neo-Neoavantgardisten; die Kumpelnest-Fraktion sichert sich die Deutungshoheit über das eigene Wirken. Als sich die Gruppe 1987 nach sieben Jahren auflöste, hatte sie es immerhin bis auf die documenta geschafft. Wolfgang Müller, Nikolaus Utermöhlen und Käthe Kruse tummelten sich in allen Genres und Medien, vieles von dem vorwegnehmend, was heute als postmoderne Spaßkunst in den Museen herumsteht und -hängt. Entstanden ist auch eine Reihe von Kurzfilmen, die nun im Kellerkino Arsenal gezeigt werden.

> „Die Tödliche Doris – Kino. Das filmische Gesamtwerk von Die Tödliche Doris (1980-1987)" am 20. und 21. März im Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, Tiergarten

mystizismus

Manche Bücher sollte man ­ ähnlich wie einen guten Wein ­ erst viele Jahre nach ihrer Herstellung öffnen. Das jüngst erschienene Mittebuch gehört sicherlich dazu. Wenn man es in zehn, fünfzehn Jahren liest, wird man sich lächelnd daran zurückerinnern, wie aberdutzende Autoren und Künstler versuchten, aus einem Stadtbezirk einen Mythos zu kreieren, der nichts als die Distanzierung von eben diesem Mythos zum Inhalt hat. Schließlich seien all diese hippen Leute, die stolz darauf sind, in Mitte zu leben, diejenigen, die alles kaputt machen. Und dann wird man sich auch auf die Geschichten, Essays und Illustrationen konzentrieren können, die, eben weil sie nicht Mitte zum Thema haben, tatsächlich etwas zu sagen haben.

> Das „Mittebuch" ist erschienen im Verbrecherverlag Berlin 2003. 12,30 Euro

radikalismus

Till Hohn ist ein Künstler, der sich ausgiebig mit dem Ort beschäftigt, an dem er lebt, stets innerhalb der Sprache der Architektur und mit radikalen Mitteln: So z. B., als er Mitte der neunziger Jahre als Stipendiat eines Künstlerdorfes im Westfälischen eine riesige Mauer errichtete, die sein Atelier von denen der anderen Künstler trennte. Auch sein neuestes Projekt ­ eine Skulpturengruppe von vier Puttenköpfen ­ nimmt Bezug auf den Ort, auf Berlin, den berühmt-berüchtigten Mampe-Likör und dessen Erfinder, Carl Mampe. Auf welche Art und Weise es Hohn gelingt, die Installation als „konsequente Fortsetzung des architektonischen Raumes" erfahrbar zu machen, ist jetzt im Märkischen Museum zu besichtigen.

> Till Hohns „Mampe. halb & halb" ist noch bis zum 3. Mai im Märkischen Museum, Am Köllnischen Park 5, Mitte, zu sehen. Führungen durch die Ausstellung immer donnerstags 12 bis 18 Uhr und sonnabends 14 bis 18 Uhr

aktionismus

Nachdem schon Thomas Flierl dem Künstlerhaus Bethanien das Wasser abgraben wollte, macht nun der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Probleme, der sich wie ein wildgewordener Investor gebärdet und die Immobilie am Mariannenplatz mit aller Gewalt vermarkten will. Nicht nur Jugend- und Sozialeinrichtungen, die in dem Haus untergebracht sind, sollen rausfliegen. Das Künstlerhaus und die Druckwerkstatt im Kulturwerk des bbk berlin sollen in andere Räumlichkeiten umziehen, die nicht nur ungeeignet sind, sondern auch noch aufwendig adaptiert werden müßten. Und all das, weil der Bezirk unbedingt eine Modeschule ins Bethanien hieven will.

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