Ausgabe 2 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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„Im Übrigen wird die Klage abgewiesen"

Wer erinnert sich noch an die von der B.Z. verfochtene „Aktion Bürgersinn" zur Rettung der Reiterstaffel der Berliner Polizei, die Anfang letzten Jahres auf die Abschußliste des Senats geraten war? Wir forderten damals „billiges Pferdefleisch statt Tiere als Polizeiwaffen" – und fischten ein zehn Jahre altes Foto aus dem Archiv, das zwei Polizeipferde samt Reitern vor dem Brandenburger Tor zeigt (s. scheinschlag 1/02)*.

Norbert Rutkowski erkannte sich auf dem Bild und strengte einen Rechtsstreit mit dem scheinschlag an. Von einer „Schmähkritik" an dem Polizisten war in den Briefen seiner Anwältin die Rede, gefordert wurde ein Schmerzensgeld in Höhe von 2000 Euro. Was wir nicht wußten: Rutkowski war nicht nur stolzer Reiter bei der Reiterstaffel, sondern auch Initiator der „Aktion Bürgersinn" sowie mehrfach als Hobbyfotograf mit Bildern von Polizeipferden hervorgetreten.

Das hätten wir wissen müssen, argumentiert Rutkowskis Anwältin, die Wahl des Bildes sei als gezielter Angriff auf die Person ihres Mandanten zu werten. Richtig ist, daß sich der scheinschlag weder für Pferde, noch für die Freizeitaktivitäten von Polizisten sonderlich interessiert. Wir fanden es nur besorgniserregend ­ und eines satirischen Kommentars wert ­, wie die Kampagne einschlug, und daß so viele Berliner bereit waren, ihr Geld für den Erhalt der Reiterstaffel zu spenden.

Als der erste Anwaltsbrief in die Redaktion flatterte, waren wir gleich zu einer Unterlassungserklärung bereit; ausserdem drückten wir in der Ausgabe 3/02 unser Bedauern aus für den Fall, daß die Bildunterschrift zu Mißverständnissen geführt habe. Aber Rutkow- ski wollte es wissen; er will es weiter wissen, obwohl seine Klage im Januar in erster Instanz im wesentlichen abgewiesen wurde. Rutkowski muß zwar die Kosten des Rechtsstreits tragen, aber er ist rechtsschutzversichert ­ was die ganze Angelegenheit erklärt.

Das Landgericht Berlin stellte aber auch fest, daß der Abdruck des Fotos ohne Einverständnis des Polizisten nicht rechtmäßig war. Das kostet uns ca. 650 Euro, die wir nicht haben. Wir vom scheinschlag werden also auch noch eine Weile an die „Aktion Bürgersinn" erinnert werden, die ansonsten schon gnädigem Vergessen anheimgefallen ist.

hb

*Anmerkung: Besagtes Foto wurde aus naheliegenden Gründen im Januar 2002 umgehend aus dem Internet entfernt.

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  Ausgabe 2 - 2003