Ausgabe 01 - 2003 berliner stadtzeitung
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Konzentration auf das Wesentliche?

Wie im Forum der Berlinale gespart wird

Das waren noch Zeiten, als wegen eines Films die ganze Berlinale abgesagt wurde. Nach spektakulären Streitereien in der Jury über Michael Verhoevens Film O.K. wurde die Berlinale um das Internationale Forum des Jungen Films erweitert. Dann gab es die Berlinale und das Forum, die irgendwie miteinander verbunden waren, und dann wieder doch nicht. Das ist aber auch schon über 30 Jahre her. Das Forum gibt es zwar immer noch, was die Auswahl der Filme angeht, ist es aber wieder in die Berlinale integriert worden. Seit dem letzten Jahr hat nicht nur der Berlinale-Wettbewerb, sondern auch das Forum einen neuen Leiter, Christoph Terhechte, der Ulrich Gregor abgelöst hat. Seither hat sich das Arbeitsklima verändert, wie Pressesprecherin Gabriela Seidel bemerkt: „Man versucht, die alte Rivalität zwischen den Sektionen abzubauen. Terhechte ist auch in die Auswahl der Filme eingebunden. Es wird jetzt eher gemeinsam geschaut, welcher Film in welche Sektion paßt. Das ist ein großer Unterschied. Und das hat auch im letzten Jahr eine gewisse Energie und mehr Schwung in die Sache gebracht."

Schwung hatte das strukturell etwas verkrustete Forum auch nötig. Denn wenn jemand 30 Jahre lang immer dasselbe macht, wie der ehemalige Leiter Ulrich Gregor, schleift sich naturgemäß Routine und Langeweile ein. Natürlich will man nach wie vor unangepaßte, innovative oder einfach nur interessante Filme von neuen Regisseuren zeigen. Regiedebüts machen in diesem Jahr rund ein Drittel des Programms aus. Und es werden wie immer Filme aus unbekannten Filmländern wie Moçambique oder Thailand gezeigt. Außerdem kommen wieder die Freunde des Hongkong-Kinos auf ihre Kosten. „Die chinesische Gemeinde in Charlottenburg stürmt dann regelmäßig das Delphi", so Seidel; ein Publikumsandrang, der nur wenigen anderen Vorführungen beschieden ist.

Bei genauerem Hinsehen fehlt dem diesjährigen Programm einiges. Zum einen ein neuer Länderschwerpunkt (lediglich die Reihe chinesischer Filme aus dem letzten Jahr wird fortgeführt). Aber das sei nicht so ungewöhnlich, nur wenn die „filmische Ausbeute" eines Landes sehr aufregend und ergiebig sei, gebe es eine solche Gewichtung, betont Seidel. Anscheinend erlaubt die allgemeine wirtschaftliche Lage in den für das Forum relevanten Ländern kaum mehr bemerkenswerte Filmproduktionen. Der Mangel zum Beispiel an osteuropäischen Beiträgen, die früher einmal einen größeren Programmanteil ausmachten, scheint darauf zurückzuführen zu sein. Immerhin wird es eine Sonderreihe zum Neuen Russischen Kino geben, die aber größtenteils aus Kurzfilmen besteht.

Und da schon von Mangel die Rede ist: Gab es im letzten Jahr kaum weniger Mittel als vorher, so sind im Forum jetzt Einsparungen zu merken, die nicht nur in der Streichung eines Festivaltages bestehen. So ist die zunehmende Bündelung beispielsweise der Öffentlichkeitsarbeit aller Sektionen auch eine indirekte Sparmaßnahme. Das Erscheinungsbild der Forum-Ankündigungen wurde im Zuge dessen dem allgemeinen Berlinale-Layout angepaßt. Andere Einsparungen waren schon im letzten Jahr zu bemerken, u.a. an den entweder gar nicht oder mit weniger Aufwand ausgerichteten Premierenparties. Wahrscheinlich werden in diesem Jahr sogar der Eröffnungs- und der Abschlußempfang des Forums ausfallen. So tritt vielleicht das Eigentliche, nämlich das aktuelle Filmschaffen aus aller Welt, wieder in den Vordergrund. Denn gegen Cannes kann Berlin sowieso nicht anstinken.

Ingrid Beerbaum

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