Ausgabe 01 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kurzkultur

horror

Wer sich vorbereitend zum Besuch des aktuellen Pollesch-Stücks im Prater (s. Rezension in dieser Ausgabe) die Zukunftsvision aus dem Jahr 1973 ansehen will, sollte die Gelegenheit im Z-inema nutzen. Dort läuft der US-amerikanische Spielfilm Die Überleben wollen ... (Originaltitel: Soylent Green). Außerdem sehenswert ist der Zombie-Film Die Nacht der lebenden Toten aus dem Jahr 1968, der beweist, daß sich auch das Horrorgenre für eine intelligente Gesellschaftskritik eignen kann.

> „Die Überleben wollen ..." von Richard Fleischer am 9. Februar um 21 Uhr und „Die Nacht der lebenden Toten" von George A. Romero am 16. Februar ebenfalls um 21 Uhr im Z-inema, Bergstraße 2, Mitte

kultivator

Mit gekratzten Zeichen, sogenannten scratchings, beispielsweise auf U-Bahn-Scheiben, wehren sich Jugendliche weltweit gegen den ästhetischen Terror von Werbung und schlechtem Design. Nur folgerichtig, daß Künstler in den anonymen Tätern Verbündete sehen. Ottjörg A. C. etwa hat in 14 Metropolen weltweit, darunter Berlin (ja, Berlin geht mal als Metropole durch!), Zürich und Wellington, solche Zeichen gesammelt und dabei interessante Beobachtungen gemacht: „Schwungvoll" kriegen die Pariser Kids ihre Kratzereien hin, während die Berliner sich gerne in „blockhaften Lettern" artikulieren. Leider wird das interessante Material demnächst als „farbiger Radierzyklus in zertifizierter Gesamtauflage" zum Kunstgewerbe verharmlost und dem Markt einverleibt.

> „Existentmale – gekratzte Zeichen weltweit" von Ottjörg A. C. noch bis zum 23. Februar in der Neuen Aktionsgalerie, Auguststraße 20, Mitte, Di bis Fr 14 bis 19, sowie Sa von 11 bis 19 Uhr

initiator

Kunst in leerstehenden Ladenlokalen, das boomt derzeit in Berlin. Künstler und solche, die es gerne wären bzw. werden wollen, gibt es mehr als genug in der Stadt ­ leerstehende Ladenlokale auch. Im Boxhagener Kiez hat sich dieses Rezept bereits bewährt. Das Projekt „Boxion" hat nun ein Pendant in Kreuzberg, wo zwischen Schlesischer Straße und Görlitzer Park auch alles den Bach runtergeht und viele Läden verwaist sind. „WRANGLER ­ Kultur für Leerläden" heißt die Initiative, für die ab sofort „Künstler" und ­ ja, jetzt auch noch ­ „junge kreative Unternehmer" gesucht werden.

> Am 22. Februar können von 20 bis 24 Uhr die Kreativläden im Boxhagener Kiez besichtigt werden. Ein geführter Rundgang startet um 20 Uhr im „Stechbart" in der Jungstr. 10. Wer sich für den Wrangelkiez bewerben will, kann sich an die Spielfeld Kulturkonsultation wenden: Büro Oderstr. 16, 10247 Berlin, fon 5540482, www.spielfeld.net

direktor

Manchmal noch kümmern sich die Grünen nicht ums Kriegführen, sondern um wichtige Dinge. So hat Claudia Hämmerling, Sprecherin für Tierschutz, nun ein drängendes Problem erkannt: Ständig verschwinden in Deutschland Elefanten. So ist etwa jüngst der Zirkusdirektor Karl-Heinz Köllner mit der Elefantenkuh Kenia durchgebrannt ­ das Paar war eine Woche lang spurlos verschwunden. Die Grüne fordert deshalb die Einrichtung eines „Zirkuszentralregisters gegen Elefantenklau". Gäbe es ein solches, man hätte Köllner und seine Kuh möglicherweise schneller aufgespürt. Wir schließen uns dieser Forderung an und beteuern, daß wir bei uns in der Ackerstraße keine Elefanten versteckt halten!

kottbusser tor

In diesem Jahr wurde der Kiez um das Kottbusser Tor aus der Sanierung entlassen. Der Verein zur Erforschung und Darstellung der Geschichte Kreuzbergs nahm dies zum Anlaß, gemeinsam mit deutschen und nicht-deutschen Anwohnern eine Ausstellung zu 40 Jahren Stadtsanierung und Protestbewegung in Kreuzberg zu inszenieren.

> „Geschichte wird gemacht. Berlin am Kottbusser Tor", noch bis zum 4. Mai im Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95a, Mi bis So von 12 bis 18 Uhr

labor

In Oberhausen, wo seit mehr als einem halben Jahrhundert alljährlich Kurzfilmtage stattfinden, formierte sich in den Sechzigern der Aufbruch des jungen deutschen Films; das „Oberhausener Manifest" ist Filmgeschichte. Junger Film hieß damals noch: Protest gegen die Filmindustrie, nicht: Laßt mich doch bitte für RTL einen Krimi drehen! Oberhausen ist nach wie vor eine wichtige Adresse für anspruchsvolle Filme. Wer nicht in den Ruhrpott fahren mag, wofür wir im übrigen kein Verständnis haben, der kann im Babylon ausgewählte Filme aus aktuellen Oberhausen-Programmen sehen.

> „Oberhausen on tour – Internationale Kurzfilm-Highlights gestern und heute", vom 23. bis zum 28. Februar im Filmkunsthaus Babylon, Rosa-Luxemburg-Str. 30, Mitte

polarisatorIn

VALIE EXPORT, die österreichische Künstlerin und Filmemacherin, hat schon Medienkunst gemacht, als deren heutige Exegeten noch gar nicht wußten, was das ist. In der Akademie der Künste wird sie im Moment mit der Ausstellung „Mediale Anagramme"gewürdigt, während das Kellerkino Arsenal ihre Filme zeigt. Die Präsentation nährt die Hoffnung, daß die Beschäftigung mit den schönen neuen Medien nicht zwangsläufig in Affirmation münden muß.

> „VALIE EXPORT Mediale Anagramme", noch bis zum 9. März in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten, Di bis So 10 bis 20 Uhr

tenor

Das Konzert des Monats dürfte die Präsentation des neuen Albums von Jimi Tenor sein. War Tenor anfangs hauptsächlich mit Elektronik beschäftigt, arbeitet er inzwischen mit Sinfonieorchestern oder mit der finnischen Big Band UMO zusammen und verzichtet fast ganz auf die Nachbearbeitung am Computer. Was dabei herauskommt, liegt an der Schnittstelle zwischen Zappa und Sun Ra, Funk und Jazz, Avantgarde und Dancefloor. Zur Tournee tritt er gemeinsam mit UMO auf: Spaß am Experiment ist garantiert.

> Jimi Tenor, am 19. Februar um 22 Uhr im Maria am Ostbahnhof, An der Schillingbrücke, Friedrichshain

kontor

Schon seit 15 Jahren bringt das „HeimatKlänge"-Festival Weltmusik in die Stadt. Trotz anhaltenden Publikumszuspruchs könnnten seine Tage nun gezählt sein. Das Tempodrom, das jetzt einen Weg in die hemmungslose Kommerzialisierung geht (s. auch Artikel auf Seite 2), ist als Veranstaltungsort weggebrochen, und der Senat will auch nichts mehr springen lassen. Der Veranstalter Piranha Kultur versucht, die Öffentlichkeit zu mobilisieren – kein sonderlich aussichtsreiches Unterfangen in Zeiten, in denen überall gekürzt und gestrichen wird. Festivalleiter Christoph Borkowsky hofft vorerst noch auf ein Wunder, d.h. auf 126.000 Euro von Thomas Flierl.

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