Ausgabe 01 - 2003 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Das Festival muß diesmal kleiner ausfallen, aber immerhin kann es stattfinden; im letzten Herbst war das noch nicht sicher. Vom 20. bis zum 23. Februar gibt es die nunmehr vierte Ausgabe des Festivals „Musik und Politik", Hauptveranstaltungsort ist wieder die WABE in der Danziger Straße. Die Geschichte des Festivals ist freilich länger, als es auf den ersten Blick scheint, beziehen sich die Veranstalter doch auf eine Tradition, die 1990 erst mal beendet schien. 20 Jahre gab es in der Hauptstadt der DDR das „Festival des politischen Liedes". Ensembles wie der Singeklub Maxhütte, Musiker aus dem Sudan oder aus Afghanistan, aber auch die Rote Kapelle aus Schweden, der Türkische Arbeiterchor Westberlin und ein Stefano Rosso aus Italien waren unter den Teilnehmern. Nun gibt es keine Arbeiterklasse mehr, von -chören ganz zu schweigen, und auch die Liedermacher sind in die Jahre gekommen. Es ist daher nur folgerichtig, daß die Veranstalter des Nachfolgefestivals der Diskussion einigen Raum lassen. So gibt es ein Podiumsgespräch zum Thema Musik und Zensur nach dem 11. September – man darf gespannt sein, ob die amerikanische Botschaft einen Vertreter schickt – und über Musik und Politik in beiden Berliner Stadthälften in den siebziger und achtziger Jahren, an dem u.a. der Produzent und Bruder von Rio Reiser und Barbara Thalheim teilnehmen werden; ein Gespräch mit Hans-Christian Ströbele steht seltsamerweise auch auf dem Programm. Überhaupt steht die Retrospektive im Vordergrund. In der WABE wird in einem Kurzfilmprogramm in die Zeiten zurückgeblickt, als es die DDR noch gab und die Liedermacherei Konjunktur hatte; auf einem Ost-West-Frühschoppen werden alte Platten aufgelegt. Immerhin wird auch die Skapunkband Rantanplan aus Hamburg auftreten, die sich anscheinend durch ihre Teilnahme an einem antirassistischen Konzert in Rostock empfohlen hat.

Was aber ist politische Musik? Die Gesinnung eines Gitarristen, die „gegen die da oben" gerichtete Textzeile? Der Musiktheoretiker Heinz-Klaus Metzger, der im vergangenen Jahr auf dem Festival mitdiskutierte, würde das bestreiten. Musik, die ihre politische Brisanz mit der Auswahl bestimmter Texte, mit Titeln oder Widmungen an Che Guevara zu erreichen sucht, ist Metzger zufolge ganz bestimmt nicht politisch relevant. Es ist kein geringes Verdienst des Festivals, die Frage nach dem Politischen in der Musik überhaupt noch zu stellen; sonst tut es ja gegenwärtig niemand. Auch ist der Blick der Veranstalter erfreulicherweise nicht auf ein bestimmtes Genre verengt; das Spektrum reicht von den alten, bösen Liedern über Skapunk bis zur neuen Musik. Ob der mit einigen der Veranstaltungen intendierte Ost-West-Brückenschlag erreicht werden kann, scheint indes fraglich. Allzu viele Westdeutsche haben im letzten Jahr wohl nicht den Weg in die Danziger Straße gefunden.

hb

> Informationen unter www.songklub.de. Ein Infotelefon mit Programmansage ist unter 42807294 geschaltet

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