Ausgabe 01 - 2003 berliner stadtzeitung
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Regenbogen oder Cremefarben?

ACUD chronisch

Seit cremefarbene Luxusresidenzen und routiniert hippe Lounges die Veteranenstraße dominieren, hat das ACUD einen schweren Stand. 1990 war der Gebäudekomplex in der Veteranenstraße 21 zum Kulturzentrum geworden, nachdem er zu DDR-Zeiten noch abgerissen werden sollte. Es war keine Besetzung, wie man angesichts des buntbesprühten und erfreulich improvisiert wirkenden Hauses denken könnte, sondern mit dem Bezirksamt abgestimmt worden. Vor drei Jahren fiel der Entschluß, das Gebäude zu kaufen, und die Erbengemeinschaft des Kaufmanns Enoch, die es ein Jahr zuvor rückübereignet bekommen hatte, war zunächst einverstanden. Ihr Makler aber bevorzugte einen Privatinvestor, der sicherlich das schicke Erscheinungsbild der Straße vervollständigt hätte. Erst die erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit des ACUD und ein zäher, mühsam durch Spenden finanzierter Rechtskampf zwangen den Investor zum Rückzug.

Im April 2001 kaufte die Stiftung Umverteilen das Grundstück, der Verein erhielt einen Erbbauvertrag mit 50 Jahren Laufzeit. Prompt machte man sich an die Sanierung, finanziert durch Darlehen und das ­ mittlerweile beendete ­ Selbsthilfeprogramm des Senats. Da mit einer institutionellen Kulturförderung nicht zu rechnen ist, geht es dem ACUD nun darum, so schnell wie möglich finanziell unabhängig zu werden. Mit Konzertbereich, Kinos und Theater will man ausreichend Geld erwirtschaften, um auch die kleineren, weniger lukrativen Projekte, wie z.B. den Mädchenclub und die zwei Galerien, mitfinanzieren zu können.

Der erste Bauabschnitt besteht im Ausbau der Hofgebäude, wo im Februar eine Galerie, eine Küche und ein Café-Restaurant mit Bühne fertiggestellt werden. Im ersten Stock entstehen ein Mehrzwecksaal und zwei größere Kinosäle; das Dachgeschoß wird zu Atelierräumen ausgebaut. Ende 2004 soll auch das Vorderhaus fertig sein. Hier findet wieder das Theater seinen Platz; die Kneipe, die durch ihre grandios trashigen Jamsessions bekannt geworden ist, wird zu einer „Kantine" umgebaut, der Club im Keller, die Büros und die Räume verschiedener Filmverbände werden grundsaniert und auf den neuesten baukonstruktiven Stand gebracht.

Damit sich das Haus weiterhin optisch von der Umgebung abhebt, wollen die Architekten der Fassade etwas Schrilles geben. Im Baubüro hängen Entwürfe mit traditionell-alternativem Regenbogenlook und wolkigem Himmelblau; auch die bisherige, etwas punkige Gestaltung mit den stadtbekannten Strassenschildern ist in der Diskussion ­ allerdings mit einer stabileren Aufhängung, „wegen der Sicherheitsauflagen", so Bauleiter Andreas Eckardt.

Die Auflagen, die mit der Bauförderung einhergehen, werden im Baubüro häufig zitiert. Die Nostalgiker mögen gehofft haben, daß die Sanierung ein Kompromiß würde und das Projekt etwas von seinem Alt-Mitte-Charme und seiner Bescheidenheit behält. Aber das Baurecht scheint keinen Platz für die bewährte Improvisationskunst zu bieten. Eckardt stört das nicht: Wenn z.B. das Treppenhaus von Graffitis, Demo-Plakaten und alten Flugblättern gereinigt und neu gestrichen wird, sei es nach vier Wochen wieder genauso chaotisch wie vorher.

Bleibt zu hoffen, daß der Typ von Besucher, der normalerweise solch kollektive Gestaltung einer steril-weißen Wand übernimmt, nicht wegbleibt. Sind Chaoten im ACUD noch willkommen? „Wir haben auch in Zukunft keinen Platz für die Leute, die die wenigen Regeln, die wir haben, nicht einhalten", meint Judith Brabant von der Geschäftsführung des Vereins. „Wir wollen keine Randale, keine Dealer ..." Die „Publikumsstruktur" solle sich aber nicht „wesentlich" ändern. Hoffentlich läßt der Zwang zur wirtschaftlichen Effizienz das zu. Denn nach der aufwendigen Sanierung wird man auf zahlungskräftigere und vor allem: weit mehr Besucher angewiesen sein. Und das zahlende Massenpublikum kommt nicht nur zum Zahlen, sondern wird das ACUD prägen.

Man kann den müden Helden des ACUD ihren Wunsch nach Sicherheit und Etablierung nicht verübeln ­ solange sie ihr unkonventionelles Programm nicht gegen die beliebigen Tangokurse, Klezmer-Konzerte oder Modeschauen eintauschen, für die so viele andere Kulturzentren ihren guten Namen hergegeben haben. Eine Art innerstädtische Ufa-Fabrik ist wohl das beste, was vom ACUD noch zu erwarten ist. Die Kulturbrauerei oder das Tacheles zeigen, daß das nicht das Schlechteste ist, was einem derartigen Projekt widerfahren kann.

Katrin Scharnweber/Johannes Touché

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