Ausgabe 10 - 2002 berliner stadtzeitung
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Es bricht und es bricht doch das Gras durch

Fortsetzung folgt: Der Athena Verlag engagiert sich für litauische Literatur

Für Litauen war der Auftritt als Gastland der Frankfurter Buchmesse ein Wagnis: Die Vorbereitungszeit war kurz, und die Literatur des kleinen Landes ist in Deutschland nahezu unbekannt. Daß sich das trotz regen Publikumsinteresses an den Veranstaltungen in Frankfurt nicht wirklich geändert hat, ist dem mangelndem Engagement der deutschen Verlage anzulasten. Ein großes Haus wie Suhrkamp hat sich gerade mal zur Publikation eines „literarischen Reisebegleiters" entschließen können; Rowohlt Berlin und dtv haben immerhin Romane von Jurga Ivanauskaite und Renata Serelyte herausgebracht.

Nicht weniger als die Hälfte der 14 Neuübersetzungen aus dem Litauischen aber gehen auf das Konto des kleinen Athena Verlags aus Oberhausen. Der Fachverlag, in dem sonst Bücher über deutsch-russische Kulturarbeit in Dortmund, die Punk-Bewegung oder den Alkoholismus von Joseph Roth erscheinen, leistet sich seit zwei Jahren eine eigene Litauen-Reihe. Zur Buchmesse hat Athena-Verleger Rolf Duscha nicht nur den Roman Mobile Röntgenstationen von Jurgis Kuncinas und den Gedichtband Mohnasche von Antanas A. Jonynas veröffentlicht; die Anthologien Von diesen Träumen ganz verschiedene und Vierzehn litauische Poeten erlauben einen Überblick über die litauische Gegenwartsliteratur. Die 14 Lyriker aus den Jahrgängen 1917 bis 1960 hat Valentinas Sventickas, der Vorsitzende des litauischen Schriftstellerverbandes, ausgewählt und kommentiert. Für die Prosaanthologie, die zehn Autoren in Porträts und Textauszügen vorstellt, zeichnet Klaus Berthel verantwortlich, wichtigster Übersetzer für das Litauen-Programm von Athena. Eine wertvolle Ergänzung ist die von dem Literaturwissenschaftler Vytautas Kubilius speziell für ausländische Leser verfaßte Literaturgeschichte Literatur in Freiheit und Unfreiheit, die die Zeit von der ersten litauischen Unabhängigkeit 1918 bis hin zur Generation jener, die in post-sowjetischen Zeiten die literarische Bühne betreten haben, umspannt und kompakt informiert.

Lyrik spielt in der litauischen Literatur traditionell eine große Rolle und wird dort auch gelesen. Gedichte wie die von Antanas A. Jonynas, in denen viel vom Herbstlicht, Pfützen und „geschwärzten Blättern" die Rede ist, mögen nicht jedermanns Sache sein; neben einer nach wie vor blühenden Na-turlyrik gibt es aber auch jüngere Autoren wie den Ironiker Gintaras Grajauskas. Ausgesprochen amüsant auch die Mobilen Röntgenstationen von Jurgis Kuncinas ­ ein unterhaltsamer Rückblick auf den litauschen Weg in den Sozialismus.

„Fortsetzung folgt" war das optimistische Motto des Frankfurter Litauen-Auftritts. Das gilt zumindest für Rolf Duscha und seine Litauen-Reihe, über die Konjunktur dieses Herbstes hinaus.

Florian Neuner

> Valentinas Sventickas (Hg.): Vierzehn litauische Poeten, 16,90 Euro

> Klaus Berthel und Jurate Sprindyte (Hg.): Von diesen Träumen ganz verschieden, 14,90 Euro

> Vytautas Kubilius: Literatur in Freiheit und Unfreiheit, 19,90 Euro

> Antanas A. Jonynas: Mohnasche. Gedichte (mit beiliegender CD), 17,90 Euro

> Jurgis Kuncinas: Mobile Röntgenstationen. Roman, 14,90 Euro

Alle Bücher sind im Athena Verlag, Oberhausen, erschienen. www.athena-verlag.de

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