Ausgabe 10 - 2002 berliner stadtzeitung
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Cash gegen Sparkasse

Der Bankenskandal führt zu einer weiteren Deregulierungsrunde

Der Senat scheint die Bankgesellschaft nicht nur schnell, sondern auch gewinnbringend verhökern zu wollen. Dazu will Finanzsenator Sarrazin nun ihren einzigen werthaltigen Teil opfern: die Sparkasse. Er gab bekannt, die Verhandlungen zum Verkauf der Bank ab sofort nur noch mit den US-Investoren Lone-Star und BGB Capital Partners führen zu wollen. Damit setzte er nicht nur die Nord LB vor die Tür, die sich um eine öffentlich-rechtliche Lösung bemüht hatte, sondern auch die eigene Sparkasse, die nun kaum noch als öffentliches Kreditinstitut erhalten bleiben kann. Denn wenn alle Bevölkerungsgruppen weiterhin bedient und die Sparkasse wichtigster Partner der kleinen und mittleren Unternehmen bleiben will, lassen sich die Renditeerwartungen von privaten Investoren nicht erfüllen.

Lone Star schlug vor, Berlin könne weiterhin öffentlich-rechtlicher Träger der Sparkasse bleiben, während die Führung und das unternehmerische Risiko an den Investor geht. Bei einer „richtigen" Privatisierung könnte Lone Star nämlich das Logo der Sparkasse entzogen werden, und das wäre gar nicht gut fürs Geschäft. Bei der Sparkasse droht sich so im Kleinen genau das zu wiederholen, was bei der Bankgesellschaft im Großen das ganze Desaster erst ermöglichte: die Unterordnung einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse unter die Interessen privater Gewinnmaximierung.

Für die privaten Großbanken wäre Berlin als „sparkassenfreie Zone" der langersehnte Durchbruch. Seit Jahren versuchen sie, zusammen mit der deregulierungswütigen EU-Kommission, die Sparkassen zu privatisieren, um sich ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. Der Senat hingegen hätte außer Cash wenig von dieser gefährlichen Verquickung: Hatte Wirtschaftssenator Harald Wolf noch vor wenigen Monaten vollmundig erklärt, bei einem Verkauf selbstverständlich einen „Risikoausgleich" der 21-Milliarden-Bürgschaft mit dem zukünftigen Investor auszuhandeln, ist davon nun nichts mehr zu hören.

Warum macht der Senat das mit? Gerade Berlin als strukturschwache Region braucht eine Sparkasse. Denn nur in die Boom-Regionen fließt das Kapital auch von alleine, weswegen z. B. die USA mit dem Community Reinvestment Act die Banken dazu verpflichtet haben, einen Teil ihrer Finanzmittel in strukturschwachen Regionen einzusetzen. Säße die PDS noch im Bundestag, wäre ihr genau ein solcher Gesetzentwurf zuzutrauen. Nach der Niederlage der PDS-Rechten in Gera, wo das Thema Bankgesellschaft und der Berliner Anpassungskurs von vielen Rednern scharf kritisiert wurde, werden hier die Karten neu gemischt. So forderte der linke PDS-Abgeordnete Over die eigene Partei auf, endlich „ein kooperatives Verhältnis zur Initiative Berliner Bankenskandal zu finden" und ihre Vorschläge kritisch zu prüfen.

Daß sich Widerstand lohnt, zeigte Ende 2001 ein erfolgreiches Bürgerbegehren in Sachsen. Dort setzte sich die Bürgerinitiative Pro kommunale Sparkasse in einem Volksentscheid ­ dem ersten in Sachsen überhaupt ­ gegen die Pläne der Landesregierung durch, die kommunalen Sparkassen zu einer Landessparkasse zu fusionieren.

Soweit ist die Initiative Berliner Bankenskandal zwar noch nicht. Fest eingeplant ist aber ein öffentliches Expertenhearing zur Frage der Neu-Verhandlung der Immobilienfonds. Nach der Berechnung der Initiative beträgt das Einsparpotential über 11 Milliarden Euro.

Birger Scholz

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