Ausgabe 10 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kooperativer Ansatz

Die Planungen zu den Freiflächen am Tacheles waren von Anfang an eine undurchsichtige Sache. Zwar hatte sich der Eigentümer, die Kölner Fundus-Gruppe, schon 1993 mit dem Bezirk und dem Tacheles e.V. auf einen „kooperativen Planungsansatz" geeinigt. Mit dem Verein gab es dennoch nur Gerangel, und auch das Bezirksamt war bald nicht mehr Herr der Lage: Beim internen Architektenwettbewerb des Investors gaben neben den eigenen Profitinteressen vor allem Senatsbaudirektor Hans Stimmanns private Vorlieben den Ausschlag. Der Bezirk hätte dem platt traditionalistischen Entwurf des Büros Duany Plater-Zyberk die erheblich sensiblere Planung von Reese/Libeskind vorgezogen, aber er hielt still. Am 31. Oktober hat er nun auch den Bebauungsplan durchgewunken, und niemand versteht, wie das eigentlich passieren konnte. Die BVV-Fraktionen sind seitdem mit Schuldzuweisungen beschäftigt.

Die Begründung zum B-Plan liest sich in der Tat enttäuschend. Die Einwände, die im Rahmen des Planverfahrens vorgebracht wurden, haben kaum Berücksichtigung gefunden. Ein paar Gebäude sind niedriger, die Einzelhandelsflächen etwas kleinteiliger geworden. Der Rest bleibt offen: Die öffentliche Durchwegung wird irgendwann „im weiteren Verfahrensverlauf" geregelt, die Nutzung der Höfe nach den „gesetzlichen Bestimmungen" mit dem Eigentümer abgestimmt. Ähnlich lakonisch wurden Fragen nach der sozial-en Infrastruktur für den 30prozentigen Wohnanteil behandelt. Den Bedarf an Grünflächen, Sporteinrichtungen oder Kitas soll das benachbarte Sanierungsgebiet decken, das in diesen Bereichen bereits jetzt Defizite aufweist.

Das Tacheles wird im Rahmen seiner „nutzungsstrukturellen Einbindung" zwar nicht mehr komplett eingebaut, die Blöcke an seiner Rückseite schieben sich aber bis auf wenige Meter heran. Der Tresorkeller im Garten wird durch Tiefgaragen ersetzt, die nach einem Verkehrsgutachten der TU zu rund einem Drittel überflüssig sind: Bereits jetzt steht in der Spandauer Vorstadt ein Großteil der Parkhäuser leer.

Grundsätzliche Kritik an dieser Art von Städtebau wehrt das Stadtplanungsamt mit dem Hinweis auf die „innerstädtischen Nutzungen" der Fried- richstraße ab, in deren Nähe es sich offenbar nichts anderes vorstellen kann als ein „attraktives Quartier zur Unterbringung von Geschäfts- und Bürogebäuden als auch zahlreichen gastronomischen Betrieben". Das sind die Früchte eines „kooperativen" Planungsansatzes mit privaten Stadtentwicklern.

jt

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  Ausgabe 10 - 2002