Ausgabe 08 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Geld regiert die Radiowelt

Radio gehört nicht in den Kulturteil. Radio ist ein Wirtschaftsgut; der Empfänger ist Kunde. Dabei trägt nicht nur das private Radio Schuld am Verlust von Radiokultur. Durch die Fusion von SFB und ORB zu RBB werden experimentelle Sendezeiten wegfallen. Nieder mit der Kultur. Die Zeitungen haben diese Entwicklung seit langem erkannt und lagern ihre Berichterstattung über Medien in die Wirtschaftsteile um, im Oktober wird Die Zeit folgen.

Und sie haben Recht, zumindest wenn man den Äußerungen verschiedener privater Radioprogrammhersteller Glauben schenkt. Auf dem „Radioforum" der „Internationalen Medienwoche" am 12. September im Johannishof diskutierten und referierten auf Einladung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) die Privatradiomacher unter der Überschrift „Medienlandschaft im Umbruch" über die „Zukunft des Radios". Eigentlich ging es jedoch um einen Einbruch, nämlich den des Werbemarkts nach dem Untergang der finanzkräftigen „New Economy".

Der Rückgang der Werbeeinnahmen macht besonders den Privaten schwer zu schaffen. Mindestens die Hälfte der Privatradios soll akute Existenzsorgen haben. Der Überlebenskampf ist ausgebrochen.

Die Krise des privaten Rundfunks ist jedoch eher eine prinzipielle. Die Köpfe des Radios sind Ökonomen. Jürgen Filla von 104.6 rtl arbeitete früher für die Unternehmensberatung „Andersen Consulting". 94.3 rs2 wird vom Betriebswirtschaftler Carsten Neitzel gemanagt, der in Personalunion auch die „Top Radio Vermarktung" führt. Nun mag man einwenden, daß auch ein Sender wirtschaftlich vertretbar arbeiten muß, um überhaupt Programm anbieten zu können. Nur scheint es Fakt zu sein, daß das große Geld im Rundfunk kaum gemacht wurde. Warum gibt es dann überhaupt so viele Radiostationen?

Hüterin der Frequenzen ist die MABB. Dort entscheiden Politiker mit Standortproblemen, Juristen mit Eitelkeiten und: Wirtschaftler, fernab von kultureller Einsicht. Vorrangig Geld regiert die Frequenzvergabe. Alternativlos?

Am Rande der Medienwoche sah man die radiokampagne.de Werbung für eines anderes Radio machen. Ein freies Radio, unabhängig von parteipolitischer Einflußnahme, wirtschaftlicher Berechnung, fern vom pseudodemokratischen Offenen Kanal. Radio kann, auch wenn eine solche Äußerung schon fast ketzerisch klingt, sogar Kultur sein.

sap

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  Ausgabe 08 - 2002