Ausgabe 07 - 2002 berliner stadtzeitung
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Häusa besetzen?

Es war im Juli und eine Sache von nur wenigen Minuten: Den Besetzern auf dem Fuße folgten die Beamten der Polizei, die ihre Personalien aufnahmen und Anzeigen wegen Hausfriedensbruch stellten. Nur kurz war die Paechbrot-Fabrik in Moabit in der Hand der Aktivisten. Deshalb wurden sie wenige Tage nach dem Ereignis beim Betroffenenrat im Stephanviertel vorstellig und hielten wiederum später eine Kundgebung ab. Jetzt rätselt man über die jüngste Hausbesetzung und fragt sich, von wem die Aktion ausging und was sie bezweckte.

Die launigen Werbesprüche von Paech haben die Aktivisten etwas abgewandelt. Die etwas ruppigere Forderung lautet jetzt: „Nich eenen Kuchen oda zwei / sondan die janze Baeckarei!" Im dichtbesiedelten Moabit, schreiben die Besetzer in ihr Flugblatt, wolle man nicht mehr tatenlos zusehen, wie das Fabrikgelände verfalle. Man wolle „ein soziokulturelles Zentrum" einrichten, wo man frei von Repression und Ausbeutung leben könne. Mit der Räumung würde man sich nicht geschlagen geben, sondern werde nun Verhandlungen mit dem Bezirk um die zukünftige Nutzung des Geländes aufnehmen. Die Anwohner im Kiez unterstützten ihre Ziele.

In einer Stellungnahme der Stadtentwicklungsgesellschaft S.T.E.R.N. für die zuständige Stadträtin, Dorothee Dubrau, heißt es jedoch, daß die Mitglieder des Betroffenenrats das vorgestellte Konzept für „dürftig" befunden hätten. Die Aktivisten seien zudem niemandem bekannt gewesen. Für wenig erfolgversprechend hält S.T.E.R.N. die Forderungen, weil die baulichen Gegebenheiten schwer anders als zur Brotproduktion zu nutzen seien, weil sich die Besetzer ohnehin nicht an der Finanzierung beteiligen könnten und weil der Eigentümer des Geländes mutmaßlich nicht verhandeln wolle. Der setzt bei seinen Planungen eher auf Einzelhandel.

Im Internet zollt man der Aktion zwar Lob: „Ick finds jut, wenn wa wieda häusa besetzen!" Aber auch Kritik wird laut: „Warum fanden Besetzung und Demo eigentlich (fast) ohne Einbindung in die Linke statt?" Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um einen Schnellschuß handelte. Oder um das, was beim Militär „Manöver" heißt: Man will einfach in Übung bleiben.

Benno Kirsch

Ausführlicher Bericht zum Thema Paechbrot-Fabrik im Tiergarten-Teil der Sanierungsbeilage

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