Ausgabe 05 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Ich bin das heimliche Privatleben des Führers

Ein Stück für drei Schauspielerinnen und einen deutschen Schäferhund von Ulrich Hub

Geboren wird Eva Braun 1912, „im Jahr, als die Titanic unterging". Als 17jährige arbeitet sie in einem Fotoladen, von Männern wurde sie noch nicht angerührt und „noch von keiner Sau geküßt". Ihr großes Vorbild ist Brigitte Helm als übel hetzende Maschinenfrau in Metropolis, und so hegt auch Fräulein Braun den Traum, eine Filmkarriere zu starten. Doch es kommt alles anders, als ein kleiner, hechelnder Mann mit Oberlippenbärtchen in den Fotoladen kommt und der 23 Jahre jüngeren Eva auf die Schenkel starrt, sich aber trotzdem höflich benimmt.

Steffen Moratz inszeniert Ulrich Hubs Fräulein Braun auf eine etwas andere Art und Weise: Er besetzt die Rolle der Eva Braun mit drei Schauspielerinnen (Viola Kowski, Katja Szigethy und Susanna Voss). Dies hat den Vorteil, eventuell aufkommende Langeweile zu vermindern, denn ursprünglich ist Hubs Schauspiel ein Monolog. Des weiteren benötigt Moratz nur ein paar Stühle, Kostüme, eine Schachtel Zigaretten und natürlich einen deutschen Schäferhund, an dem Eva Braun die Wirkung einer Zyankalikapsel testen kann: „Ich will dir in die Augen sehen, wenn sie sich verdrehen."

Auf Goebbels' Bekanntmachung, Hitler habe kein Privatleben, er sei voll und ganz für das deutsche Volk da, kann Eva Braun nur spöttisch entgegnen: „Ich bin das heimliche Privatleben des Führers." Aber Frau Hitler darf sie sich erst in den letzen Stunden im Führerbunker nennen. Vorher war sie immer Hitlers „Hoppel-Moppel". Aus seiner politischen Karriere hält sie sich raus: „Spuck den Männern nicht in die politische Suppe". Ihre Lebensfreude beschränkt sich auf Baden im Sommer und Schlittschuhlaufen im Winter.

Hubs Meisterleistung in diesem Stück ist es, die Schuldfrage aufzuwerfen ohne sie überhaupt zu stellen. Er reiht einfach mehrere Banalitäten aus dem Alltag der First Lady Deutschlands aneinander und verzichtet somit auf düstere Kapitel der Weltgeschichte. Unterstützt wird Hubs Idee durch eine Umsetzung mit Text, Pantomime und Musik, die eine typische Dreißiger-Jahre-Stimmung hervorruft.

Wir dürfen auf jeden Fall jetzt schon auf Moratz' Inszenierung von Hubs Fräulein Braun gespannt sein.

Felizitas von Rosenthal

„Fräulein Braun" von Ulrich Hub im Theaterhaus Mitte, Koppenplatz 12. Premiere am 23. Mai, weitere Aufführungen von 24. bis 26. Mai, sowie von 30. Mai bis 1. Juni, jeweils um 20 Uhr.

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