Ausgabe 03 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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RAW-Gelände wird „Revaler Viereck"

Anfang März war es soweit: Die Vivico Management GmbH, Eigentümerin des Geländes des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks „Franz Stenzer", präsentierte den Siegerentwurf eines Gutachterverfahrens, daß sich mit der zukünftigen Entwicklung des Geländes entlang der Revaler Straße befaßt hatte. Kees Christiaanse, niederländischer Stararchitekt und Professor an der Technischen Universität in Berlin, hat das Rennen gemacht. Der von ihm präsentierte Entwurf überzeugte die Jury, der u.a. Franz Schulz, der Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, angehörte, wegen seines „prozeßhaften und strategischen Ansatzes". Sukzessive, also über einen längeren Zeitraum, soll das über 10 Hektar große Gelände nach Vorstellung Christiaanses entwickelt werden und im Rahmen der Vorgaben des Entwurfs Freiheiten für die verschiedenen zu beplanenden Baufelder gewährleisten. Anstatt also eine festgelegte Gestaltung der Flächen vorzugeben, würdigt Christiansee die charakteristische Heterogenität des Geländes mit einem Konzept, daß diese auch beizubehalten verspricht – eine Wohltat angesichts des dominierenden Konformismus des Berliner Baugeschehens. Positiv auch der Umgang des Niederländers mit dem Bestand: Existierende Gebäude sollen bestehen bleiben, die ehemalige Nutzung des Geländes als Reichs- bahnausbesserungswerk im Stadtraum erkennbar bleiben. Die Stärke des Entwurfs des Rotterdamer Architekten ist jedoch zugleich auch dessen Schwäche. Um städtebauliche wie architektonische Fehlentwicklungen tatsächlich ausschließen zu können, ist die Planung zu unkonkret. Auch bezüglich der Nutzung bleiben viele Fragen offen. Die Rede ist von „Mischnutzung". Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich der Bezirk und der RAW-Tempel e.V., mit ihrer Forderung nach Grünflächen und Raum für (sozio-) kulturelle Einrichtungen durchsetzen werden. Der RAW-Tempel, in dem über 30 Initiativen organisiert sind, nutzt bislang einen Teil des Geländes und ist sowohl für die angrenzenden Kieze als auch für die Berliner Kulturszene von großer Bedeutung. Es bleibt die Hoffnung, daß dem zukünftigen „Revaler Viereck" das übliche Berliner Mono- (ton)poly-Spiel erspart bleibt. Nur einen Steinwurf entfernt, entlang der Mühlenstraße, weichen ohne eine nennenswerte öffentliche Diskussion profilierte Größen des Berliner Clubgeschehens und andere Kulturschaffende den mediokren Planungen für eine große Mehrzweckhalle der Anschutz-Gruppe mit angrenzender Randbebauung.

Im Falle des RAW-Geländes wird über die zukünftige Entwicklung zumindest öffentlich diskutiert. Diese doch erfreulichere Situation ist dem Engagement des RAW-Tempel e.V. zu verdanken, der über einen längeren Zeitraum hinweg die Frage nach der Zukunft des Geländes an die Öffentlichkeit trug und verschiedene Akteure ansprach. Unabhängig von den Stärken und Schwächen des prämierten Siegerentwurfs gilt es jetzt im Rahmen der Erstellung des Bebauungsplans dafür zu kämpfen, daß die bisherige kulturelle Nutzung des Geländes nicht unter den Tisch fällt und in schlecht vermarktbare Teile des Gebiets verdrängt wird. Gleiches gilt für die Festschreibung der Frei- und Grünflächen. „RAW ist machbar – Herr Nachbar" – so warb das RAW-Projekt „workstation", wiederholt für Beteiligung. Die Arbeit von Kees Christiaanse wird vom 12. bis zum 19. April im Rathaus Kreuzberg präsentiert – also nichts wie hin.?

Johannes Novy

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