Ausgabe 01 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Letztes Refugium

Eine überzeugte Nonkonformistin macht ihre Privatwohnung zum politischen Treffpunkt

Im Niemandsland der Wegwerfgesellschaft, jenseits von Gewinnkalkulationen und Endverbraucherstudien, stossen wir mitunter noch auf letzte Residuen kritischen Denkens und Handelns. Eine dieser raren Inseln ist die politische Non Profit Apartment Galerie NO SPACES mit ihrem dringenden Anliegen, eine inhaltlich kritische Kunst zu fördern und auszustellen. Dabei ist die Initiatorin Ursula Peters besonders bedacht auf eine vom Diktat des Kunstmarktes unabhängige Basiskunst.

Inspiriert durch die Moskauer Apartment-Galerie-Bewegung alternativer Künstler, die aus Protest gegen die horrenden Moskauer Mietpreise ihre Privatwohnungen in Galerien umgestalteten, eröffnete die 67-jährige Künstlerin in ihrer Tiergartener Altbauwohnung die NO SPACES APARTMENT GALERIE ­ ein „Open Space" für eine alternative Kunst- und Politszene, die sich jenen Themen widmet, die in der Spaß-„Kultur" so sorgfältig und nachhaltig verdrängt werden, wie zum Beispiel dem mißbräuchlichen Umgang der Industriegesellschaften mit der Natur.

Ursula Peters Denken ist geprägt durch das Konzept des „connex rerum" des voridealistischen Philosophen Alexander G. Baumgarten, wie auch von der amerikanischen Avantgarde-Szene der sechziger Jahre. „Connex rerum", die Formel für das Verbundensein der Dinge mit- und untereinander, ist die Lebensphilosophie der Initiatorin: „Leben ist Kunst" ­ doch eine Kunst, die, in Anlehnung an die Avantgarde, keinen perfektionistischen Dogmen unterworfen ist. Diese Prämissen eröffnen einen weiten Horizont für Künstler, die sich nicht in den Mainstream des Zeitgeistes und reiner Konsumkunst eingliedern lassen wollen. Verstärkt wird diese Absage an den klassischen Kunstmarkt durch Ursula Peters´ Überzeugung, daß Geld und Kunst sich unmöglich miteinander in Einklang bringen lassen. In der Galerie kommt es zum ungezwungenen Austausch. Kritik ist ebenso willkommen wie Anregungen ­ entspannt ist der Umgang nicht zuletzt deswegen, weil die Galerie nicht dem Zwang unterliegt, gefallen zu müssen und so ihre Themen frei bestimmen kann.

Neben der Galerie ist die Wohnung zugleich ein Forum für verschiedene politische Friedens-, Frauen- und Antifa-Gruppen, die sich meist wöchentlich bei ihr treffen, um zu diskutieren und Aktionen zu planen.

Die Ausstellungen greifen politisch brisante Themen auf oder dokumentieren Entwicklungen und Ereignisse, die in den Medien nur wenig Resonanz finden. Hier sieht Ursula Peters eine „Umfeldproblematik" und damit die Aufgabe, ein negativ besetztes Thema in etwas Positives zu wandeln, um erneut das Interesse zu wecken. Zuletzt zeigte die Galerie die Wanderausstellung „Geschichte des Widerstandes im Wendland", eine Dokumentation von 25 Jahren Anti-AKW- Bewegung. Rund 150 Fotografien aus der Sammlung von Michael Seelig dokumentieren die Geschichte einer Bewegung, die mit viel Phantasie und Engagement versucht, friedliche Gegenwehr zu leisten. Für den Nichtkenner der Szene eröffnet sich ein aufschlußreicher Blick hinter die Kulissen ­ die meist als chaotisch und unbelehrbar dargestellten Atomkraftgegner zeigen sich recht einsichtig in Zusammenhänge und Tatsachen, die von der Atomindustrie ignoriert werden: Die faktische Unmöglichkeit einer endgültigen Lagerung von Plutonium beispielsweise.

In der nahen Zukunft ist eine Ausstellung über den Tiergarten geplant. Einst als größter innerstädtischer Naturpark der Welt angelegt, zeigt er heute deutliche Anzeichen, daß der Verkehrsstrom von 80000 Autos pro Tag nicht spurlos an ihm vorbeigeht. Viele Bäume haben die typischen Angsttriebe ausgebildet. Der Berliner Landesverband Naturschutz jedoch hat aufgrund mangelnder finanzieller Mittel die begonnene Studie eingestellt. Hauptthema der Ausstellung soll die „Dokumentation des Wilden" im Tiergarten werden. So sind heimische Vogelarten verschwunden, ebenso wie ein wildes Robinienwäldchen, in dem es Nachtigallen gab. Auch hier begegnet wieder das „Connex rerum":„Der Mensch bekämpft das Wilde", so Ursula Peters, „auch in sich selbst."

Sabine Saar

Informationen, telefonische Voranmeldung und Anfragen für alternative Künstler unter: NOSPACES – Politische Non Profit Apartment Galerie Berlin Tiergarten, Genthiner Str. 11, 2. Stock VH, 10785 Berlin, fon und fax 4328699,

email NOSPACES@gmx.de

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