Ausgabe 01 - 2002 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Ab durch die Mitte

Eine symbolische Hausbesetzung für ein Soziales Zentrum

Eigentlich galt die Gattung der Berliner Hausbesetzer längst als weitgehend domestiziert. Jahrelang tanzten sie nicht mehr aus der Reihe, abgesehen vielleicht von kleineren Scharmützeln um die Køpi oder die Rigaer Straße 94. Jetzt scheint sich aber doch wieder etwas zu regen, womöglich hat sich gar eine neue Art herausgebildet. Am 15. Dezember vergangenen Jahres wurde unter dem etwas irreführenden Motto „Wir nehmen uns die Stadtmitte" das leerstehende ehemalige ÖTV-Haus am Michaelkirchplatz 4 kurzzeitig besetzt. Man hätte sich vielleicht treffender unter der Parole „Wir trauen uns auch mal 50 Meter aus Kreuzberg raus" an die Öffentlichkeit wagen sollen. In dem heute der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gehörenden Haus soll nach dem Willen der Besetzer ein „soziales Zentrum" entstehen.

Trotz sofortiger Räumung durch die bereits im Haus wartende Polizei, betrachten die Initiatoren die Aktion als geglückt, die Besetzung sei ohnehin nur als eine symbolische gedacht gewesen und Teil einer größeren Kampagne für ein Soziales Zentrum in Berlin. Vorbild dafür dürften die „Centri Sociali" sein, die es schon seit Jahren in allen größeren italienischen Städten gibt und die sich dort als eigenständige politische Kraft etabliert haben. Es geht also weniger um Wohnraum, sondern eher um den Nachweis, auch in Berlin politisch handlungsfähig zu sein oder zu werden. Nach den Vorstellungen der Besetzer sollen durch die Kampagne möglichst viele bisher einzeln vor sich hin wurstelnde politische, kulturelle oder soziale Gruppen zusammengeführt werden, um zum Beispiel den zu erwartenden Auswirkungen der geplanten Großprojekte an der nahegelegenen Spree etwas entgegenstellen zu können. Es ist also mit weiteren Aktivitäten zu rechnen, und damit, daß nicht nur ein Soziales Zentrum Thema sein wird. Vielleicht fällt ihnen auch noch ein intelligenteres Motto ein.

Dirk Rudolph

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