Ausgabe 12 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Massen

Räume ­ neu bespielt

Eine Single zeichnet sich vor allem durch das eingeschränkte Angebot an musikalischem Speicherraum aus. Diesen Raum angemessen zu füllen, aber nicht zu überfrachten, ist die Grundidee von Emphasolo: Eine Band oder ein Künstler je Seite mit jeweils nur einem Instrument. Reduktion ist alles. Auf dem Berliner Kleinstlabel Emphase ist dieser Tage die fünfte Veröffentlichung von Emphasolo erschienen. Allein schon wegen der Instrumente, die von Waldhorn bis hin zu einer Karussellorgel reichen, ist jede Single hörenswert. Als Juwel erweist sich die von Guido Möbius bespielte Seite der fünften Single: Jew´s Harp ist die Minimalform serieller Musik: Die Aufnahme einer Maultrommel, auf mehreren Tonspuren übereinander gelegt und schließlich verzerrt und gepitcht ­ elektronische Nachbearbeitung ist auf Emphasolo erlaubt ­ endet schließlich in einer wilden Luftgitarrennummer der Extraklasse. Steve Reich würde jubilieren.

Einen gänzlich anderen Raum füllt eine Zusammenstellung mit dem Titel Africa Raps. Musik aus Afrika wird hier, wenn überhaupt, nur in der Rubrik Weltmusik wahrgenommen und bedient damit entsprechende Klischees. Aktuelle Popmusik hingegen hat so gut wie keine Chance auf Veröffentlichung. Ein Sampler aus dem Hause Trikont füllt diese Leerstelle: Auf Africa Raps findet sich aktueller HipHop aus dem Senegal, Mali und Gambia. Abgesehen davon, daß die musikalische Qualität trotz der eingeschränkten Produktionsbedingungen keinen Vergleich mit hiesigen Bands zu scheuen braucht, sind die stilistischen Erweiterungen um ­ afrikanische ­ musikalische Elemente mehr als hörenswert. Die Eigenständigkeit der Zusammenstellung wird erweitert durch den politischen Kontext, den fast alle Songs transportieren. Dabei macht sich einmal mehr die sorgfältige Arbeit bei Trikont an den Booklets bezahlt: Jay Rutledge, der Africa Raps zusammengestellt hat, liefert hier die notwendigen Informationen zum Verständnis des soziokulturellen Hintergrunds, der sonst aufgrund von Sprache, Dialekt und einem weitgehend unbekannten Bezugs- und Metaphernsystem verlorenginge.

Marcus Peter

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  Ausgabe 12 - 2001