Ausgabe 12 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Deutschland im Krieg

Die zeitliche Koinzidenz ist zufällig: Während die Bundeswehr sich nun erstmals in Zentralasien engagieren darf und die deutsche Marine Kurs nimmt auf die afrikanische Ostküste, wird in Berlin die grundlegend überarbeitete Neufassung der sogenannten Wehrmachtsausstellung vorgestellt, nunmehr unter dem Titel Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944; mit weniger Bildmaterial, penibel geprüft und vorsichtig eingesetzt, nebst einem Exkurs über Beweis- und Suggestionskraft von Fotos. Angehörige der NS-Kriegsverbrechergeneration und konservative Medien, die sich die Legende von der „sauberen Wehrmacht" nicht ausreden lassen wollten, zettelten vor zwei Jahren eine Kampagne an und erreichten einen Stop der Präsentation der Ausstellung ­ aufgrund einiger fehlerhafter Bildzuschreibungen. Dabei ist in der öffentlichen Wahrnehmung eines aus dem Blick geraten: Weder heute noch vor sechs Jahren hatten seriöse Historiker auch nur den geringsten Zweifel, daß die Wehrmacht am Völkermord im Osten beteiligt war und sich gemäß internationalem Kriegsvölkerrecht massiver Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat.

Jan Philipp Reemtsma, der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, weigerte sich jetzt in einem Interview, die aktuelle Debatte um die Bundeswehreinsätze zu kommentieren, mithin in Verbindung zu bringen mit der umstrittenen Ausstellung. Wer allerdings in Deutschland politisch verantwortlich agieren will, kommt gar nicht umhin, das militärische Engagement „out of area" auch vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs zu sehen; im Ausland tut man das sowieso. Noch für einen Verteidigungsminister Rühe war es unvorstellbar, die Bundeswehr dort einzusetzen, wo einst die Wehrmacht wütete. So viel Anstand mußte sein. Rot-grün macht's möglich. Wäre Rühe heute noch im Amt, es würde vermutlich nichts anderes passieren, es gäbe freilich eine Opposition gegen die deutschen Kriegsspiele. Indes ist mit der Leerformel vom „Kampf gegen den internationalen Terrorismus" mittlerweile alles möglich, vom forschen Ausbau des Überwachungsstaates über Verschärfungen des Ausländerrechts bis hin zu Militäraktionen in Regionen, von denen Hitler nur träumen konnte; immerhin vermerkt das „Kriegstagebuch der deutschen Wehrmacht" im Februar 1941: „Der Führer wünscht die studienmäßige Bearbeitung eines Aufmarsches in Afghanistan gegen Indien im Anschluß an die Aktion Barbarossa." (zitiert nach Matin Baraki, KONKRET 12/01) Zürich könnte man unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung auch bombardieren, denn dort haben bekanntlich viele „Terroristen" und „Schurkenstaaten" ihre Kohle deponiert.

„Du suchst nette Freunde und geile Kameraden? Du willst Rekruten stramm stehen lassen oder sie durch den Dreck scheuchen?" Mit diesem Angebot lockt nicht die Bundeswehr, sondern die sogenannte „Berliner Truppe", ein „Haufen von schwulen Männern, die auf Uniformen und Militär abfahren". Und denen sollte man das Kriegsspiel in Deutschland auch besser überlassen, denn im Gegensatz zu Bundeswehr und Wehrmacht sind bei den schwulen Fetischisten Waffen und „extreme politische Ansichten" tabu. Wenn die Jungs ihre Manöver in der Umgebung von Berlin abhalten, dann geht davon garantiert keine Gefahr aus.

Florian Neuner

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 12 - 2001