Ausgabe 11 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Einsicht in die Unmöglichkeit der Repräsentation

Ein Werkzeugkasten zu Heinz Emigholz' Filmen

Wenn in Deutschland über Film diskutiert wird, dann wird meistens die Klage darüber angestimmt, daß deutsche Industriefilme im Ausland keine großen Absatzmärkte haben, die Kulturindustrie in anderen Ländern ist da einfach findiger. Man könnte sich nun fragen, warum sich ein Staatsminister für Kultur der Sache überhaupt annimmt, um die Placierung Heinos auf dem amerikanischen CD-Markt kümmert er sich ja auch nicht. Es ist aber einfach so: Daß es neben Spielfilmen, Krimis und Komödien auch so etwas wie eine ernstzunehmende Filmkunst gibt, ist nur wenigen bekannt, selbst die Filmhochschulen wollen davon nicht viel wissen.

Der Schauspieler Heinz Emigholz taucht in Machwerken wie Vilsmaiers Schlafes Bruder auf. Aber das ist wohl nur eine Marginalie. Im Gespräch mit Hans Hurch berichtet Emigholz: „Es fing damit an, daß ich mit ,Film' überhaupt nicht klargekommen bin. Die filmische Abbildung, der Realismus im Film, das, was da Zeit und Bewegung repräsentiert, hat mich als Betrachter nahezu verrückt gemacht." Das Gespräch findet sich in dem neuen Buch Normalsatz, in dem das bisherige Filmschaffen von Emigholz, 17 Filme, in Texten, Kommentaren und Bildern dokumentiert wird ­ nebst einem Ausblick auf das laufende Projekt Photographie und jenseits, das den an der Hochschule der Künste lehrenden Filmemacher noch 25 Jahre beschäftigen wird. Der Verleger Martin Schmitz spricht zutreffend von einem „Werkzeugkasten"; und in Anbetracht der gegenwärtigen Situation ist es auch nicht übertrieben, wenn Ronald Balczuweit in seiner Einleitung von einem „filmpolitischen Kommentar zur Filmkultur in der heutigen Bundesrepublik" spricht. Ein Destillat aus Balczuweits Magisterarbeit ist der rote Faden durch Normalsatz; die 17 Filme werden der Reihe nach durchgenommen.

Vor dem Hintergrund seines Unbehagens in der Filmkultur war es nur folgerichtig, daß Emigholz Anfang der siebziger Jahre mit streng analytischen Versuchsanordnungen begann. In Schenec-Tady I etwa werden zwei horizontale Schwenks nach einem ausgeklügelten Konzept ineinander montiert. Emigholz ging es darum, zunächst einmal „die Grundlage der Zeitrepräsentation durch die Analyse filmischer Bewegungen zu klären". Emigholz machte sich in der „experimentellen" Filmszene einen Namen. Mit Normalsatz (1978/81) kam dann das, was er als „großen Bruch" mit dem „Avantgarde-Film" bezeichnet. Narrative Elemente greifen Platz; Emigholz spricht vom Hineingehen in einen „psychologischen Bereich". Für Emigholz' Filme der achtziger Jahre hält die Kritik Etiketten wie „experimenteller Spielfilm" und „urbanes Erzählen" bereit. Mit dem aktuellen Projekt Photographie und jenseits, aus dem in diesem Jahr Sullivans Banken und Maillarts Brücken vorgestellt wurden, strebt Emigholz einen „filmischen Ausdruck für die Objektivierung gedanklicher Vorstellungen" an.

Normalsatz ist ein äußerst anregender Werkzeugkasten, zudem ein Anstoß, darüber nachzudenken, was Film sein könnte bzw. an den Rändern manchmal auch ist.

Florian Neuner

Heinz Emigholz: Normalsatz. Siebzehn Filme. Verlag Martin Schmitz 2001. 36 DM

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  Ausgabe 11 - 2001