Ausgabe 10 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Scheingefechte

Während der Debatte um den Schloßplatz wird beinahe unbemerkt öffentlicher Raum privatisiert

Wie teuer kommt uns der Neubau des Berliner Schlosses zu stehen? Diese Frage konnte im „Stadtforum von Unten" am 20. September im Staatsratsgebäude leider nicht geklärt werden. Der Titel der Veranstaltung lautete: Schloßplatz-Vision für eine geeinte, neue Hauptstadt? Eingangs mußte der Moderator Werner Orlowsky gleich einräumen, daß von den eingeladenen Spitzenkandidaten der Parteien lediglich Uwe Lehmann-Brauns (CDU) und Gesine Lötzsch (PDS) erschienen waren. Auch die Bundesebene fehlte ­ trotz Einladung. Ebensowenig waren Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gekommen.

„Dem Stadtforum von Unten", das sich 1995 als Gegenentwurf zum offiziellen „Stadtforum" gegründet hat, ist es zwar gelungen, bis heute Kontinuität zu wahren, wirklichen Einfluß auf die Stadtentwicklung scheint es jedoch nicht zu gewinnen. Zu desinteressiert zeigen sich die Senatsmitarbeiter, derweil die Kritiker müde werden und sich in Scheingefechten aufreiben.

Diesen Eindruck jedenfalls gewann ich, als Hannes Swoboda, Vorsitzender der Expertenkommission „Historische Mitte Berlin", Gesine Lötzsch, Ausschußvorsitzende für Europa- und Bundesangelegenheiten im Berliner Parlament, Uwe Lehmann-Brauns, kulturpolitischer Sprecher der CDU, Architekt Hardt-Waltherr Hämer, Kulturhistoriker Dietrich Mühlberg und Feuilletonist Heinrich Wefing auf dem Podium diskutierten.

Ziel der Veranstaltung war, den aktuellen Stand der Kommissionstätigkeit zu erfahren und zu ermitteln, ob die Senatsverwaltung nicht von vornherein Vorgaben setzt. Swoboda, unterstützt von Lehmann-Brauns, erwartete einen Vorschlag der Expertenkommission, der in Anlehnung an das historische Schloß den Bezug zur Straße Unter den Linden aufnehmen würde. Die übrigen forderten ­ vor allem in Anbetracht der Haushaltslage, der eine Vielzahl sozialer wie kultureller Einrichtungen zum Opfer fallen ­ eine Demokratisierung des Ortes, etwa in Gestalt eines Bürgerhauses oder einer zentralen Bibliothek.

In meinen Augen stellt die Diskussion um das Schloß an sich ein Ablenkungsmanöver von grundlegenderen Problemen der Innenstadtentwicklung dar. Seit 10 Jahren währt der Streit um die Gestaltung des Schloßplatzes, derweil fast unbemerkt einige Meter weiter das denkmalgeschützte Ahornblatt verschwunden ist. Das Palasthotel, das Außenministerium und das Lindencorso wurden abgerissen ­ das Hotel Unter den Linden steht auf der Abschußliste. All diese Gebäude mußten größeren Bauten mit möglichst hoher Bruttogeschoßflächenzahl weichen. Oft wird dabei öffentliches Land veräußert, nicht zuletzt, um Mittel für Prestigeprojekte wie etwa den Schloßbau zu mobilisieren. Das Grundstück des Ahornblatts, je zur Hälfte Bundes- wie Landeseigentum wurde meistbietend verkauft ­ das Gesamtbild der Fischerinsel zugunsten eines überdimensionalen Geschäfts- und Hotelbetriebes zerstört. Daß für die Bebauung des Schloßplatzes weiterer öffentlicher Stadtraum privatisiert werden soll, gab Dr. Swoboda unumwunden zu. Um welche Stadträume es sich da handelt, werden die Bewohner der Stadt erst merken, wenn ihnen die Plätze fehlen. Es sei nur daran erinnert, daß die Südspitze der Fischerinsel ­ Erholungsstätte für viele Anwohner ­ im Rahmen des Planwerk Innenstadt privatisiert und mit Wohnvillen bebaut werden soll. Das allerdings wird die Expertenkommission, deren Vorsitzender in Wien zu Hause ist, dann jedoch kaum noch interessieren.

Gabriela Braden

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