Ausgabe 09 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Musik für die Massen

ReggaeRiddim und RastaBajuwaricum

Lange bevor Jan Delay und andere deutsche HipHoper Reggae für sich entdeckt hatten und damit auch das Politische in die Texte zurückkehrte, bekannte sich der bayrische Liedermacher Hans Söllner zu Reggae und Rastaphilosophie. Vor zehn Jahren veröffentlichte er sein erstes Reggaealbum. Wegen seiner offenen politischen Statements verwickelte ihn die bayrische Obrigkeit in einen permanenten Kleinkrieg: Zivilpolizisten schnüffeln auf seinen Konzerten herum, ein Gericht verurteilte ihn wegen Beamtenbeleidigung zu einer Geldstrafe von 140000 DM, und Verwaltungsbehörden belegten ihn in diversen bayrischen Städten mit Auftrittsverbot. Söllners Position: „Ich nehme mir nur mein Grundrecht, ordinär zu sein in meiner Sprache und gegenüber Menschen, die selbst ordinär sind." Diese Einstellung kann man auch auf seinem neuen Album deutlich heraushören. Bayaman'sissdem Babylon (Trikont) ist eine Doppel-CD mit Liveaufnahmen, und schnell wird klar, daß auch dieses Album für Ärger sorgen wird, denn Söllner läßt sich nicht einschüchtern: So vergleicht er in Mei Angst Beckstein und Haider mit Himmler und Hitler. Musikalisch steht Söllner mit seiner Mischung aus Reggae und bayrischem Dialekt weit außerhalb von langweiligen Adaptionen und schraubt die Meßlatte für alle Hamburger und Berliner Reggae- und Dancehallaktivisten ein gutes Stück nach oben.

Back to the roots: Seit über 30 Jahren kümmert sich das jamaikanische Label VP-Records um Reggae und Dancehall Musik. In Deutschland wurde VP nur in geringem Umfang vertrieben und blieb deshalb relativ unbekannt. Nun hat VP Indigo als Vertrieb auserkoren, was erstmalig für eine breitere Verfügbarkeit der Veröffentlichungen sorgt. So als wolle man alles nachholen, startet VP mit einer breit angelegten Anthology-Reihe. Schwerpunkt sind die achtziger und neunziger Jahre. Bisher erschienen sind zwei Compilations zu Ninja Man und Yellowman und zwei weitere zu dem Produzenten Gussie Clark, der viel mit Shabba Ranks zusammenarbeitete, und Donovan Germain, der mehrere Alben mit Buju Banton produzierte. To be continued...

Der aktuellen jamaikanischen Dancehallszene nimmt sich Now Thing (Mo'Wax/Connected) an. Und was sich in Dancehalls von Kingston und Umgebung momentan entwickelt, ist absolut hörenswert. Mit großer Freude am Sound lassen die DeeJays die klassischen Grenzen von Dub und Reggae hinter sich und verschmelzen 2Step und Breakbeats zu einem neuen Wackelpudding für alles zwischen Kleinohr und Großzeh. Wären Dancehall und Dub nicht ohnehin schon so populär, würden sie es spätestens mit diesem Album.

Marcus Peter

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 09 - 2001