Ausgabe 09 - 2001 berliner stadtzeitung
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Let's krash!

Eine Kollision: Literatur plus Kunst gleich

KRASH

Auf den ersten Blick wirkt es, als sei das: ein Stadtplan von Erfurt: gelb-blau-rot, das Foto eines Hauses in der Altstadt. Dann merkt man, daß das Logo nicht stimmt: Da steht KRASH statt Falk, außerdem: „patentgefaked. Ohne Postleitzahlen. Mit Straßenumbennungen." Unten schließlich der Autor: Dietmar Pokoyski und der wahre Titel dieses Machwerks: Urban Ro/uT(ES). Stadt als Buch.

Dietmar Pokoyski, einer der Betreiber des kleinen Kölner KRASH-Verlags, hat mit Urban Ro/uT(ES) einen Stadtplan erstellt, der eine „literarische Begehung" Erfurts ermöglicht: 23 Gedichte, die sich der willige Literaturtourist in den Straßen der Stadt selbst zusammenreimen kann: Cut-up-Texte im Kopierladen, Lautpoeme anhand von Autonummernschildern, Krawattengedichte, visuelle Pizzapoesie.

Seit mittlerweile 13 Jahren existiert der KRASH-Verlag. KRASH: Das meint einerseits: Krach machen, Zertrümmern, Zerplatzen, andererseits wohl aber auch den Zusammenprall, die Kollision zweier Dinge. Der Name ist Programm: So veranstaltete KRASH während der neunziger Jahre recht rabaukenhaft drei sogenannte Deutsche Literaturmeisterschaften (Gegen den literarischen Tiefernst! Gegen die bildungsbürgerliche Hoch„kultur"!) ­ jeweils ausgetragen natürlich in einem Boxring ­ und verlegte Werke ganz verschiedener Autoren und Künstler, in denen Literatur und bildende Kunst „kollidieren" oder etwas anders gesagt: aufeinandertreffen (u.a. Klaus Sinowatz, Erich Wilker, Claudia Pütz, Justus Blumenstein). KRASH hält sich in diesem Zusammenhang zugute, einige Künstler überhaupt erst „zur Literatur gebracht" zu haben.

Enno Stahl, der zweite KRASH-Verleger, äußerte einmal: „letztlich kann also nur eine literatur geschichtlich relevant sein, die sich einer allzu leichten vernutzung widersetzt, die dem wissen um die form-scharmützel der letzten dekaden bereits in der oberflächenstruktur rechnung trägt." Die Bücher des Verlags sind denn auch nicht immer Bücher: im herkömmlichen Sinne. Häufig sprechen schon die Titel, unter denen die KRASH-Produkte firmieren, für sich: Da gibt es Soap-Poetry-Gedichte, die das Leben schreibt, 3-D-Lit., einen Karteikartenkrimi, Nicht-Bücher, Kartonromane oder den 1. Stein als Buch mit einer ISBN, ein Putzlappenbuch. Oder aber tEXtile tEXte: Literatur auf Stoff, Kopfkissen-Kurzkrimis und literarische Sentenzen auf T-Shirts, Unterwäsche, Jacken, Socken, Teppichen: bedruckt, aufkopiert, bestempelt, handgeschrieben, beflockt. Ein weiteres KRASH-Produkt ist die Gossenheft-Reihe, noch eine wunderbare Fälschung: „Die Leute denken, es ist Jerry Cotton, und merken dann, daß man ihnen Literatur angedreht hat." (Aktuelle Stunde, WDR) ­ darunter merkwürdige Kompilationen wie Quarktaschen & Pißstengel oder Headbanger & Bambule.

Die Begründung für das KRASH-Programm liegt in einer konsequenten Fortführung der Moderne: von Dada und Surrealismus, den Experimenten von Laut- und gerade auch visueller Poesie zur Postmoderne oder Postpostmoderne oder was auch immer: ein Konzept, das „nicht nur das Gewesene, sondern etwas von der Möglichkeit der Aktualisierung und eines in diesem Sinne DARÜBER-HINAUS" beinhaltet, wie Karl Riha über die kollisionsfreudigen Krachmacher vom Rhein bemerkte.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, lediglich die Aussage Rihas, KRASH habe „alles Zeug zu einer zündenden Parole, in der die Herausforderungen einer aktuellen Programmatik der Künste kurzgeschlossen sind."

Roland Abbiate

Einen kleinen Überblick über das Spektrum des Verlags bietet eine Dokumentation:

100 Jahre KRASH-Verlag, hrsg. von Dietmar Pokoyski und Enno Stahl. KRASH, Köln - Berlin - Weimar 1998. 12 DM

Weitere Informationen im Internet unter: www.krash.de oder
ganz herkömmlich:
KRASH-Verlag, Lützowstr. 23,
50674 Köln, fon 0221/246321

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