Ausgabe 08 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Vergessenes Gotteshaus

In der Brunnenstraße 33 steht eine der letzten Vereinssynagogen Berlins

Im Hof der Brunnenstraße 33 steht ein zweistöckiger Bau mit Rundbögen und Rosettenfenstern. Die Fensterscheiben sind blind. Vor einer reich verzierten Tür hat jemand einen Stuhl abgestellt, der so aussieht, als würde er eher in seine Bestandteile zerfallen, als daß ihn in absehbarer Zeit jemand zur Seite rückt.

Der kleine Bau ist eine der letzten Berliner Hinterhofsynagogen, die sowohl die Reichsprogromnacht als auch den Krieg überstanden hat. Während der Progromnacht wurde sie geplündert, aber nicht angesteckt ­ der Hof ist so eng, daß man Gefahr gelaufen wäre, die Wohnhäuser mit niederzubrennen. Der Rabbiner soll vorher gewarnt worden sein. Viel mehr weiß man nicht. In allen einschlägigen Werken über die Berliner Synagogen wird sie zwar genannt, jedoch sind weder Baujahr noch der Architekt bekannt.

Seit über zehn Jahren steht sie nun leer. Nach der Plünderung hatte sie ein praktisch denkender Nachbar zunächst als Geräteschuppen genutzt, zu DDR-Zeiten verwendete man sie als Lagerraum. Mitte der 80er Jahre wurde sie äußerlich renoviert und unter Denkmalschutz gestellt. So pfleglich das Wort „Denkmalschutz" klingt, so unbeach-tet rottet heute das Gebäude vor sich hin. Das Gemäuer hat mittlerweile Schwamm, und in den letzten Jahren gab es mehrere Einbrüche.

Historisch ist das Bethaus in der Brunnenstraße eine Besonderheit. Es ist eines der beiden einzigen erhaltenen „Vereinssynagogen" Berlins. Zur Synagoge müssen gläubige Juden zu Fuß gehen. Um nicht allzu weite Strecken zurücklegen zu müssen, gründeten sich deshalb zahlreiche Privatvereine, die eigene kleine Synagogen errichteten, häufig auf Hinterhöfen, da hier die Baupreise günstiger waren. 13 Männer mußten zusammenkommen, um einen „Synagogenverein" zu gründen. 500 Betplätze konnte der Verein im Hinterhof in der Brunnenstraße für die jüdische Nachbarschaft herausholen, das war schon einiges.

Seit 1993 gibt es, wenn schon kein öffentliches, so doch wenigstens ein privates Engagement, sich mit der Geschichte wie mit dem weiteren Schicksal dieser Synagoge zu beschäftigen. Der Verein „Brunnhilde e.V." betreibt seither Spurensicherung. Mit Unterstützung von Anwohnern haben sie Zeitzeugen befragt und andere Hinweise zusammengetragen.

Am 8. und 9. September am Tag des offenen Denkmals wird das Bethaus ausnahmsweise öffentlich zugänglich sein, Führungen und historische Ausstellung inklusive. Am Samstag (8. Sept.) wird um 17 Uhr bei einer Podiumsdiskussion die weitere Nutzung des
Gebäudes zur Debatte stehen. Unter anderem werden sich Denkmalpfleger und Stadtentwicklungsstadträtin Dorothee Dubrau dazu äußern, wie es mit der Hofsynagoge weitergehen soll. Sabine Krusen von Brunnhilde hofft auf eine Möglichkeit, auf eine zukünftige Nutzung Einfluß zu nehmen. Das Gebäude solle als Denkmal zugänglich sein. Möglicherweise bestehe wegen der Zuwanderung von Juden aus Osteuropa sogar wieder Bedarf an einer Synagoge.?

Tina Veihelmann

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