Ausgabe 07 - 2001 berliner stadtzeitung
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Architektur geht baden

Das SAS-Radisson-Hotel wurde nicht geliebt aber es polarisierte

Mit dem SAS-Radisson, dem ehemaligen Palast-Hotel, hat Berlin ein weiteres signifikantes, stadtbildprägendes Gebäude verloren. Sein Abriß, der sich über Monate hinzog und einem regelrechten Schauspiel gleichkam, ist Bestandteil eines radikalen Umbaus der östlichen Innenstadt Berlins, der die Tilgung der letzten übrigen städtebaulichen Strukturen der DDR zur Folge hat. Zwar war der Rück- und Neubau des Hotels in erster Linie eine Entscheidung des Besitzers und Bauherrn ­ der Deutschen Immobilien Fonds AG (DIFA) ­ und nicht, wie so häufig, eine politisch motivierte Entscheidung. Die Konsequenz ist jedoch die gleiche: Aus den Augen, aus dem Sinn. Der architektonischen Moderne, die dem Bild des neuen (alten?) Berlins entgegensteht, rückt man ­ im Ost- wie Westteil der Stadt ­ mit der Abrißbirne zu Leibe. In einem weniger ideologisch aufgeladenen Zusammenhang hätte über Qualität und Bedeutung des Bauwerks zurecht gestritten werden können.

Gestritten wurde nicht, stattdessen Tatsachen geschaffen. Das 1978/79 von der schwedischen Firma Svenska Industrie Byggen gebaute Hotel mit seinen charakteristischen getönten, die Umgebung spiegelnden Fensterwaben gehört der Vergangenheit an. Es wird durch einen Gebäudekomplex ersetzt, der bereits vor seiner Fertigstellung überholt scheint und einen Rückfall in vergangengeglaubte Zeiten darstellt.

Städtebaulich wie architektonisch ist das von den Architekten Nietz, Prasch, Sigl, Tchoban und Voss entworfene Neubauvorhaben eine Enttäuschung. Nicht gänzlich monofunktional, aber monoton kommt das 870 Millionen schwere Großprojekt daher. Ein Schlag ins Gesicht derer, die dachten, man hätte aus dem Scheitern der Friedrichstraße gelernt. Weniger das als Highlight gepriesene Aquarium im Atrium des neuen „Domaquarées" macht den kritischen Betrachter sprachlos als die Gleichgültigkeit, mit der Bezirk, Senat und Öffentlichkeit dem in vieler Hinsicht fragwürdigen Projekt in so exponierter Lage begegnen. Das SAS-Radisson liegt gegenüber dem Berliner Dom und in unmittelbarer Nähe zum Schloßplatz, dessen künftige Bebauung über die Grenzen der Bundesrepublik hinweg diskutiert wird. Mit dem Konzept eines 18 Meter hohen, tropischen Salzwasseraquariums scheint sich die DIFA jedoch eher von der benachbarten Nordseefiliale inspirieren zu lassen, als von Museumsinsel oder Schloßplatz. Dennoch wird die Strategie aufgehen: Die Besucher des „Domaquarées" ­ mit Hotel, Wohnungen, Büros, Einzelhandel und Gastronomie ­ werden sich vor, während oder nach dem Konsumieren an den Aquariumscheiben die Nasen plattdrücken. Daß angesichts dieses Spektakels für den Fußweg an der Spree nur noch ein Bruchteil seiner heutigen Breite bleibt, ist nur konsequent. Was gibt es da schon zu sehen?

Im Gegensatz zum „Domaquarée" war das ehemalige Palast-Hotel ein Gebäude mit Charakter, das polarisierte. Ein „Denk-mal" im wörtlichen Sinne ­ für jeden, der bei Sonnenauf- oder -untergang die Schloßbrücke passierte.

Auch wenn die Berliner das SAS-Radisson nicht geliebt haben, viele vermissen es bereits jetzt. Und mit ihm die dringend zu führende Debatte über den Umgang Berlins mit den Bauten seiner jüngeren Geschichte. Die Zeit drängt. Teile der Inneneinrichtung des alten SAS-Radisson wurden von den Betreibern des Forum-Hotels am Alexanderplatz übernommen, hoffentlich kein schlechtes Omen.

Johannes Novy

Der Autor ist Mitglied der Architektengruppe 37,6

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