Ausgabe 06 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Nach Ozu: Auf der Suche nach dem anderen asiatischen Film

Die Berliner Filmzeitschrift „shomingeki"

„shomingeki" ist kein neues Computerspiel, auch keine Kampfsportart, sondern eine Strömung im japanischen Film der dreißiger Jahre, die sehr realistisch Alltag abbilden wollte, zugleich Namensgeberin für eine Berliner Zeitschrift, die sich vornehmlich mit dem Kino Ostasiens beschäftigt. Kein großes internationales Filmfestival kommt heute mehr ohne den asiatischen Film aus, selbst „Oscars" wandern mittlerweile wie selbstverständlich nach Asien. Etwas Exotik und (westlicher) Schnickschnack garantieren Kassenerfolge im großen Stil. Vergessen oder unbekannt bleiben die Ursprünge der für unsere Augen besonderen Filmsprache.

Und darum geht es in „shomingeki". Man könnte sie als Special-Interest-Zeitschrift bezeichnen. Das ist wortwörtlich zu verstehen. Redakteur und Herausgeber Rüdiger Tomczak macht die Zeitschrift aus speziellem Interesse heraus und aus Leidenschaft. Diese wurde ausgelöst durch einen im Fernsehen gezeigten Film von Yasujiro Ozu: „Mir ist diese Art zu erzählen einfach näher", sagt Tomczak, „im westlichen Kino ist alles auf Handlung fixiert, im asiatischen wird eher in Anekdoten erzählt, die sich im Nachhinein verdichten. Denen geht es um die Ästhetik des Alltäglichen."

So ist auch klar, daß es hier nicht um den landläufig bekannten ostasiatischen Film geht, um Martial-Art-Filme aus Hongkong beispielsweise. Dafür würde sich auch ein größeres Publikum als die bloß 100 „shomingeki"-Abonnenten finden. Betrachtet wird hier vielmehr der in diesen Ländern beheimatete Autorenfilm. Selbst Länder wie Vietnam oder Bangladesch haben so etwas. In Deutschland hört man davon nur wenig oder gar nichts. Auch für solche Filme will die Zeitschrift ein Forum sein ­ Filme, für die in den aktuell denkenden Feuilletonredaktionen der großen Blätter und in den deutschen Filmzeitschriften kein Platz ist.

So ist es schwierig, ein Journal wie „shomingeki" am Leben zu erhalten. Gegründet 1995, erscheint es zweimal im Jahr. Die überschaubare Autorenschar bekommt kein Geld, und bei einer Auflage von 500 Stück kann man auch nicht wirklich von Ruhm sprechen. Nach einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vor fünf Jahren stieg das Interesse für kurze Zeit. Wie lange es noch erhalten werden kann, ist unklar. Finanziert wird ausschließlich aus der eigenen Tasche von Rüdiger Tomczak, manchmal helfen Freunde aus. Gäbe es für „shomingeki" nicht eine preisgünstige Druckmöglichkeit, die Zeitschrift existierte schon gar nicht mehr.

Betrachtet man diese Umstände, ist das Ergebnis beachtlich: Dem Titel gemäß wird alten Filmen viel Raum gegeben. Rezensionen und Festivalberichte stehen neben Betrachtungen zu Themen wie „Geld in einigen japanischen Filmen". Inhaltsangaben sind sehr ausführlich, wie für ein Nachschlagewerk abgefaßt. Das ist aber gut so, denn es ist schwierig, diese Filme in Deutschland zu sehen zu bekommen. Wer profunde Meinungen zum weniger bekannten oder frühen ostasiatischen Filmschaffen will, ist hier richtig. Kongeniale Berichterstattung ist jedoch kaum möglich. Für Reisen in die Herstellungsländer fehlt das Geld, da alles in die Zeitschrift fließt. Meistens sieht Tomczak die Filme auf Festivals wie dem im schweizerischen Fribourg. Danken tut es die Leserschaft trotzdem, die, glaubt man dem Feedback, meistens aus Filmemachern oder Organisatoren kleiner Festivals besteht. Aber nicht nur asiatische Filme sind Gegenstand in „shomingeki", eine Nummer beschäftigte sich auch mit der DEFA und deren Realismuskonzepten. In der jüngsten Ausgabe findet man einen Text über die Berliner Filmemacherin Anja-Christin Remmert. Das moderne japanische Kino ist dem Chefredakteur zu modisch geworden, während das Kino Afrikas oder Vietnams immer interessanter wird: „Dort gibt es noch wenig verwestlichte Kulturen. Die Menschen strahlen noch etwas aus und sind nicht so gestylt. In den neuen japanischen Filmen gibt es kaum noch Leute über 25."

Es gibt nur noch wenige publizistische Pflänzchen dieser Art, die sich eigentlich nur aus dem Enthusiasmus der Mitarbeiter speisen. Wunschtraum für Tomczak ist es, daß sich die Zeitschrift zu 80% über den Verkauf finanzieren ließe, dreimal jährlich erscheinen könnte und mehr Leser fände. Vielleicht über den Weg des Internet. Das hätte sie auch verdient.

Ingrid Beerbaum

„shomingeki" ist in Berlin u.a. in den Kinos Arsenal und fsk, im Haus der Kulturen der Welt und im „Bücherbogen" am Savignyplatz erhältlich.

shomingeki c/o Rüdiger Tomczak,
Kanzowstr. 11, 10439 Berlin

www.virtualitas.com/shomingeki

© scheinschlag 2001
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 06 - 2001
>