Ausgabe 06 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Schuldnerberatung Berlin, gibt es Hoffnung?

Schuldnerberatung, Guten Tag, was kann ich für Sie tun?

Guten Tag, mein Name ist Eberhard D. Ich bin in einer recht schwierigen Situation, denn leider gibt es Menschen in dieser Stadt, die behaupten, ich könne nicht mit Geld umgehen.

Ich halte diese Kritik für überzogen, für vorschnell und letztendlich für schädlich ­ für Berlin.

Sehen Sie: Ich hatte immer schon diese Vision: Berlin, Metropole zwischen Ost und West, hab ichs mal genannt: In modernen Büros sitzen kreative Köpfe und machen ihr Ding. Mit Internet irgendwie. Dazu der Regierungsumzug, da fließen die Kapitalströme in die Stadt, das sind so große Summen, da bleibt für jeden etwas übrig. Davon wollten wir profitieren. Hier in Berlin. Eine schöne Zukunft sollte das werden. Wohin man blickt: Potsdamer Platz. Daneben: Hackescher Markt. Immer abwechselnd: Potsdamer Platz, Hackescher Markt. Potsdamer Platz. Hackescher Markt. Eine Stadt mit schönen jungen Menschen.

Und wenn diese jungen Berliner ihre erste Million verdient haben, komm ich vorbei, als Regierender Bürgermeister, wir geben uns die Hand und lächeln in die Kamera. Das ist dann eine Geschichte für die B.Z. Dann ist Love-Parade oder Karneval der Kulturen und wir haben uns alle lieb. Die Berliner und ihr Regierender.

New York, Tokio, Berlin, Los Angeles, Rio de Janeiro, Berlin: in dieser Aufzählung sollten wir zweimal auftauchen, weil wir so bedeutend sind. Eine richtige Metropole. Und wir hatten alles dafür getan, die politischen Weichenstellungen gestellt, die exklusiven Büroneubauten finanziert, die Straßenbahn haben wir in „tram" umbenannt. Internationale Flair... Alles haben wir dafür getan.

Da kam vor einigen Wochen ­ keiner kann sagen wieso oder warum (wie der Blitz aus dem sprichwörtlichen Himmel) die sogannte Bankenkrise. Ich will hier nicht in die Details gehen, aber auf einmal bin ich pleite. Da ist es doch absurd, in so einer Situation Neuwahlen zu fordern.

Für mich ist es im Gegenteil Ehrensache, daß ich da nicht die Flinte ins Korn werfe, sondern daß ich so weiter mache wie bisher.

Und wenn ich gefragt werde, wer denn Schuld ist an dieser „Krise", dann spreche ich von einer politischen Gesammtverantwortung (für Berlin). Und daß die Lage ernst ist, gabe ich zu, und als Justizsenator werde ich dafür sorgen, daß die Schuldigen verfolgt und bestraft werden. (Nein: Das sag ich nicht. Das denk ich nicht einmal.)

Sehen Sie, es ist doch so: Die einfachen Berliner stellen sich doch Fragen: Wo ist das Geld beblieben? (Vier Milliarden Mark, die verschwinden doch nicht einfach so.) In welchen Taschen und auf welchen Konten befindet es sich heute, auf diese Fragen verlangen die Menschen eine Antwort. Zu recht. Aber diese einfachen Fragen kann ich nicht beantworten. Ich habe meine Freunde gefragt, die Experten in Politik und Wirtschaft, keiner konnte es mir sagen. Es ist ein großes Rätsel. Wahrscheinlich in Luft aufgelöst. Das kann passieren. So wird es sein.

Es gibt nur eine politische Gesamtverantwortung und ich schaue Herrn Strieder und Herrn Böger von der SPD an, und die Knechte stimmen zu. Wenn alle Schuld haben, dann ist keiner schuld. Das teilen wir unter uns auf. Letztendlich: Was sind schon tausend Mark. Mehr ist es ja nicht, pro Kopf der Bevölkerung. Für mich, den Herrn Diepgen, für Herrn Strieder und Herrn Böger ist das kein Thema. Für viele Berliner schon.

Natürlich wird es Einsparungen geben müssen. Der Regierende Bürgermeister von Berlin verzichtet zun Beispiel schon seit einiger Zeit auf den Zucker im Kaffee. Und mein Senatskollege Klaus Böger, verzichet darauf, in öffentlichen Toiletten die Papierhandtücher zu verwenden. ­ Er wäscht sich einfach die Hände nicht mehr. Das ist für uns alle keine leichte Situation. Trotzdem können wir uns immer noch ins Auge blicken. (Und gegebenenfalls würde ich ihm sogar die Hand geben.)

Ansonsten sag ich: Am besten einfach gar nicht ignorieren. Das ist wie in einer guten Ehe, wenn man mal Probleme hat: Wenn man nicht drüber redet, geht's vielleicht von selber weg.

So, und nun stellen Sie mir bitte noch einen Schein aus, daß ich hier bei der Schuldnerberatung war, ich hab nachher einen Temin auf dem Sozialamt, da muß ich den vorzeigen. ­ Vielen Dank.

Hans Duschke

Bov Bjerg gibt zu bedenken: Das Problem bei aktuellen Texten ist, daß sie so schnell veralten.

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