Ausgabe 04 - 2001 berliner stadtzeitung
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Wer kann älter?

Entwürfe für das „Beisheim-Center" auf dem Lennédreieck vorgestellt

Otto Beisheim ist 77 Jahre alt, Witwer und kinderlos. Der Gründer des Metro-Konzerns ist Multimilliardär und weiß nicht, wem er sein privates Vermögen hinterlassen soll. Zwar hat er eine Stiftung als Erbe eingesetzt, doch scheint er ihr zu misstrauen wie missratenen Söhnen, die ihren Erbteil für Sportwagen und Casinobesuche verprassen. Stiftungen können ihre Zweckbestimmungen schnell ändern. Was also tun, damit das viele Geld nicht in die falschen Hände gerät?

Otto Beisheim vergräbt sein Geld in Berlin. An prominenter Stelle, auf dem Lennédreieck, direkt am Potsdamer Platz baut er sich selbst ein Denkmal: das „Beisheim-Center" ­ ein Ensemble aus zwei gehobenen Hotels, zwei Bürogebäuden und Luxuswohnungen. Damit wird die letzte Lücke am Potsdamer Platz geschlossen.

„Leider haben wir das Grundstück sehr viel teurer kaufen müssen/dürfen/können als unsere Vorgänger", erklärte Erwin V. Conradi, Geschäftsführer der „Beisheim Holding GmbH", mit Blick auf die Nachbarn Sony und Daimler, die ihre Flächen fast geschenkt bekamen. Das ist aber nicht der einzige Unterschied: „Wir wollten hier nicht einen weiteren Glaskasten hinsetzen", sagte Conradi anlässlich der Vorstellung der Architektenentwürfe im Rahmen der von Senatsbaudirektor Hans Stimmann durchgeführten Diskussionsreihe „Architekturgespräche". „Wir wollten etwas bauen, was von der Fassade her konservativ ist", sprich: steinern.

Die ausgewählten Architekten stellten sich diesem konservativen Anspruch bereitwillig, obwohl sie bisher nicht zu den ausgewiesenen Traditionalisten gezählt wurden. Christoph Sattler, zusammen mit seinem Partner Heinz Hilmer vor knapp zehn Jahren Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs für den Potsdamer Platz, zeigte sich froh, nun auch selbst an diesem Ort bauen zu dürfen, nachdem er bei Daimler, Sony und ABB als Architekt nicht zum Zuge kam. Er baut zwei Gebäude: direkt am Potsdamer Platz ein kleines Hochhaus, dessen Vorbild das Tiffany-Gebäude sei – „das metropolitane Bauen der dreißiger Jahre in New York", so Sattler. Sein zweites Gebäude stelle hingegen Assoziationen zum Bauen in Chicago um 1880 her.

Die junge Berliner Architektin Antje Freiesleben griff noch tiefer in die Geschichtskiste: Ihr Entwurf für ein Bürohaus an der Ebertstraße habe sowohl das typische Berliner Mietshaus von 1860 zum Vorbild als auch den Palazzo Strozzi aus dem 15. Jahrhundert.

Da wurde es selbst dem Moderator der Runde zu alt: Ob man demnächst bei den alten Römern ankomme oder gar in der Steinzeit, fragte Stimmann. Die beiden anderen Architekten auf dem Podium nannten daher lieber keine historischen Bezugspunkte. Bernd Albers, der im Beisheim-Areal ein Vier-Sterne-Grand-Hotel plant, möchte „Kraft und Eleganz kombinieren", David Chipperfield will mit seinem Wohngebäude am Kemperplatz „Kontinuität und Abwechslung" miteinander verbinden.

Diskutiert wurde nur über Fassaden, nicht über Inhalte. Die einzige Bemerkung über die Nutzung der Gebäude machte Stimmann über Chipperfields Luxuswohnhaus: das seien „natürlich keine Sozialwohnungen". Dem Vernehmen nach will Otto Beisheim hier einziehen ­ ob der alte Herr dafür seine Wohnsitze in der Schweiz, in New York und am Tegernsee aufgibt, ist hingegen nicht bekannt.

Jens Sethmann

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