Ausgabe 03 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Musik für die Massen

Ruhiges Lärmen

Weniger geht nimmer: Pan Sonic hießen am Anfang ihrer Karriere noch Panasonic. Das a verloren sie in einem Verfahren, angestrengt von dem gleichnamigen japanischen Elektronikkonzern. Panasonic (die Japaner) hatten allen Grund, ihren Namen zu schützen, denn die erste CD von Panasonic (den Finnen) klang arg nach Audio-Test-CD und die wiederum hätte ja durchaus aus dem Hause der Elektrohersteller kommen können. Pan Sonic arbeiten mit einem Geräuschspektrum, das die meisten Musiker vermeiden wollen: Brummen, Knacken, Knarzen – elektronisch-analogen Störungen. Das Paradoxe ist das Ergebnis: Es entsteht eine vertraute und kontemplative Atmosphäre. Nie war Elektronik wärmer. Ganz anders ihre Konzerte: Bis an die Schmerzgrenze prallen Lärmwände aufeinander. Studio und Bühne, zwei unterschiedliche Welten.

Andere Band, ähnliches Konzept: Mogwai. Zwar sind Mogwai eher eine klassische Gitarrenband, doch ist auch hier alles gedehnt, elegisch – eben betont atmosphärisch. Streicherballaden und Ambient-Elektronik im Hintergrund runden das Konzept ab. Live zerreiben Mogwai dann ähnlich wie Pan Sonic ihre friedvollen Orchestral-Landschaften, was dazu führte, dass bei ihrem letzten Berliner Konzert die Besucher in Scharen vor der Gitarrenlärmlawine &Mac223;üchteten.

Auf der sicheren Seite – im Sinne von gep&Mac223;egter musikalischer Unterhaltung – war man bisher bei Tortoise. Wohl temperiert entwickelten sie mal drei und mal 20 Minuten lange Erzählungen im Zeichen von Postrock und Jazz. Und jetzt das: auf einmal rockt es, wird die Elektronik aggressiv, verselbstständigen sich die Beats und zersetzen sich die einzelnen Teile gegenseitig. Darf das sein? Es muss sein! Denn plötzlich wird alles lebendig, dabei verstehen Tortoise nach wie vor, zu versöhnen: Immer wieder und jedesmal zum rechten Zeitpunkt scheinen sie auf dem Studioboden ihr Grundsatzpapier mit dem Titel Konzept wiedergefunden haben und damit stellt sich auch das die Seele streichelnde Tortoisegefühl wieder ein. Zurücklehnen und genießen.

Zum Schluss noch was wirklich Ruhiges und fast ganz und gar Unverfängliches: Turin Brakes sind das, was man traditionell Songwriter nennt.

Weite amerikanische Landschaften ziehen vorbei. Melancholische Balladen und unbeschwerter Folk-Pop. Klingt nicht neu, ist es auch nicht und trotzdem gelingt der Band ein kleines Kunststück. Mal abgesehen davon, dass die beiden nicht aus Kalifornien oder Arizona, sondern aus London kommen, umgehen sie mit ihren Songs erfolgreich jede tückische Klischeefalle. Unaufgeregt und trotzdem emphatisch, akustisch und nicht BritPop, schön und nicht kitschig – einfach gut.

Marcus Peter

Pan Sonic: Aaltopiiri (Mute)
Mogwai: Rock Action (Southpow)
Tortoise: Standards (Warp)
Turin Brakes: The Optimist (Source)

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