Ausgabe 03 - 2001 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Durch die Zeitzeugenbrille

Geschichte und Geschichten von unten aus Prenzlauer Berg und Friedrichshain

Heimatgeschichte hat auf dem Buchmarkt zur Zeit Konjunktur. Kurz vor dem Ende ihrer Existenz als eigenständige Bezirke sind Geschichtsbücher über Prenzlauer Berg und Friedrichshain erschienen.

Ganz aus der Perspektive von unten ist das Buch "Berlin-Prenzlauer Berg – Alltag und Geschichte 1920-1970" geschrieben. Der Autor Jan Jansen hat 19 Zeitzeugen interviewt, die zu verschiedenen Zeiten in Prenzlauer Berg lebten und arbeiteten. Aus ihren persönlichen Erzählungen entsteht ein plastisches Bild der Sozialgeschichte des Arbeiterbezirks. Auch die Fotos, die größtenteils aus den Familienalben der Befragten stammen, tragen dazu bei. Leider wird das Buch aber durch die Einteilung in Kapitel wie "Kindheit", "Arbeitsleben", "Haus und Wohnung" zerrissen. Entweder hätte man sich für eine chronologische Ordnung entscheiden müssen, oder aber man hätte jeden Zeitzeugen am Stück erzählen lassen sollen. So wie es vorliegt, erschwert das Buch dem Leser unnötigerweise nicht nur die zeitliche Einordnung der Erzählungen in den historischen Rahmen. Auch ist es fast unmöglich, aus den verstreuten Erzähl-Häppchen die Biografie der einzelnen Zeitzeugen nachzuvollziehen. Erst am Schluss erfährt man beispielsweise, dass eine der Befragten die Betreiberin von Konnopke ist.

Die Geschichte des benachbarten Bezirks Friedrichshain ist – verglichen mit Prenzlauer Berg – noch sehr wenig bespiegelt worden. Das Buch "Bewegte Zeiten – Friedrichshain zwischen 1920 und heute", die Dokumentation einer Ausstellung, die die Mieterberatungsgesellschaft ASUM Ende 1999 im Auftrag des Bezirksamts gezeigt hat, betreibt eher traditionelle Geschichtsschreibung. Auch hier kommen Friedrichshainer ausführlich zu Wort. Die Autorinnen Kerima Bouali und Maren Schulze haben die Zeitzeugenberichte jedoch sauber nach Jahrzehnten geordnet und knapp, aber präzise in den geschichtlichen Kontext gestellt. Am interessantesten sind dabei die historischen Fotos: Viele alte Friedrichshainer Straßenzüge sind heute völlig verschwunden, während in anderen Ecken das jetzige Stadtbild dem von 1920 erstaunlich ähnlich ist. Mit knapp 100 Seiten kann "Bewegte Zeiten" natürlich keine lückenlose Geschichtsschreibung bieten. Dafür ist der Band aber mit zehn Mark extrem preiswert, wovon sechs Mark in ein soziales Projekt in Friedrichshain fließen.

js

Jan Jansen: Berlin-Prenzlauer Berg – Alltag und Geschichte 1920-1970, Sutton-Verlag, Erfurt 2000, 128 Seiten, 24,80 Mark

Kerima Bouali, Maren Schulze:
Bewegte Zeiten – Friedrichshain zwischen 1920 und heute, Berlin 2000, 96 Seiten, 10 Mark, erhältlich in den ASUM-Büros Schreinerstraße 63 und Sonntagstraße 21, fon 422 64 40

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