Ausgabe 12 - 2000 | berliner stadtzeitung scheinschlag |
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Grüne Daumen gegen eisernen BesenSeit den siebziger Jahren legen engagierte New Yorker in Eigeninitiative auf brachliegenden Grundstücken Nachbarschaftsgärten an. Lange Zeit wurden diese Community Gardens" mehr oder weniger toleriert, doch mittlerweile gerät auch diese Initiative ins Blickfeld des ultrakonservativen Bürgermeisters Giuliani: Die Gärten sollen verschwinden. Die Hühner scharren gackernd zwischen den Gemüsebeeten, während an der Cassita, dem südamerikanischen Pendant zur hiesigen Gartenlaube, einige puertoricanische Männer beim Bier zusammensitzen, um den neuesten Tratsch aus der Nachbarschaft auszutauschen. Nicht gerade die klassische Vorstellung New Yorks als dynamische Finanzmetropole, in der alles größer, weiter und höher sein muss. Ebensowenig passen die bizarren Skulpturen ins Bild, die zwischen wild wuchernden, aber irgendwie auch liebevoll arrangierten Pflanzen stehen. Der zum Teil aus Müll wie Cola-Dosen gebastelte Zaun, der einen Nachbarschaftsgarten vor Vandalismus schützen soll, krönt schließlich den untypischen Eindruck. Hier wuchern jetzt bunte Blumen, während an benachbarten zugemüllten Grundstücken aggressiv aufgemachte Schilder vor dem Betreten warnen. Auch die vielen sozialen und kulturellen Aktivitäten, wie Lesungen, Konzerte aber auch die Jugendarbeit einiger Gartengruppen sind nicht gerade das, was das offizielle New York mit seinem neuen Image als Hochglanz-Boomtown nach außen hin darstellen möchte. Gerade diese Gärten tragen mit ihren Projekten dazu bei, dass in vielen Stadtteilen wieder ein Gefühl für Nachbarschaft und Gemeinschaft entsteht. Viele der Gärten sind von Angehörigen ethnischer Minderheiten angelegt worden. In ihnen wird oft ein Stück des traditionellen Zusammenlebens fortgesetzt, das auch ein wenig Heimat bedeutet. Green Guerillas werden etablierte Gartenlobby Alles begann 1973, als Liz Christy, eine Künstlerin aus der Lower East Side in Manhattan, beschloss, zusammen mit ihren Freunden und Nachbarn ein leerstehendes Grundstück an der Ecke Bowery/Houston Street aufzuräumen und dort die Bowery Houston Farm and Garden" aufzubauen. Der Anfang der Community-Garden-Bewegung war gemacht. Heute existieren in New York etwa 700 registrierte Nachbarschaftsgärten zumeist auf städtischen Grundstücken. Die AktivistInnen von damals nannten sich Green Guerillas". Mittlerweile ist Green Guerillas" die etablierteste und größte Interessenvertretung der Communty-Garden-Bewegung. Von ihrer professionell eingerichteten Büroetage in einem Hochhaus in der Nähe des Times Square wird die Lobbyarbeit organisiert. Und die ist mittlerweile wichtiger denn je: Noch nie waren diese Gärten so gefährdet wie zur Zeit. Bis vor einigen Jahren sah es noch so aus, als würden die Community Gardens, die sozusagen als eine Art Landbesetzung ohne den üblichen legal vorgeschriebenen Weg über Miete oder Kauf entstanden sind, dennoch ein etablierter Teil von New Yorks Stadtteilprojekten werden. Das Green Thumb"-Programm (Grüner Daumen) wurde ins Leben gerufen, ein städtisches Förderprogramm, bei der Gartengruppen Gelder etwa für Saatgut erhielten und für die Grundstücke Nutzungsverträge vergeben wurden. Wohnungspolitische Doppelmoral Doch mit dem Amtsantritt des Rechtaußen Rudolph Giuliani als Bürgermeister, der mit seiner Zero Tolerance"-Politik zum Angriff auf alles blies, was nicht ins Bild einer sauberen geordneten Metropole passte, schien auch das Ende der Communty Gardens gekommen zu sein. Mit dem Argument, die Grundstücke würden dringend als Bauland vor allem für die Erstellung von bezahlbaren Wohnraum benötigt, ließ er nichts unversucht, die Gärten verschwinden zu lassen. Xinema Naranjo von Green Guerillas hält dem entgegen: Es gibt ungefähr 700 registrierte Community Gardens in New York, gleichzeitig besitzt die Stadt ungefähr 10000 ungenutzte Grundstücke. Hier wird bewusst die Notwendigkeit des Baus von bezahlbaren Wohnungen gegen die Gartenbewegung ausgespielt. Wir sind nicht gegen Wohnungsbau, aber wir fordern, dass die Stadt zuerst ihre Grundstücke, auf denen keine Gärten existieren, auf ihre Eignung für Bauprojekte prüft, bevor Gärten gefährdet werden." In den letzten Jahren wurden von der Stadtregierung Giuliani entscheidende Schritte zur Zerstörung der Gärten eingeleitet. Zuallererst wurde die Zuständigkeit der Behörden geändert: War bislang das Department for Parks and Recreation", die Gartenbaubehörde, für diese Grundstücke verantwortlich, so fielen sie nun in die Zuständigkeit des Department for Housing", der Bau- und Wohnungsbehörde. Darauf folgte der Versuch, die Gärten im großen Stil an Investoren zu verkaufen. Allein auf einer Auktion sollten über 100 Gärten gleichzeitig versteigert werden. Doch gerade mit dieser großspurigen Art, sich des Problems schnell zu entledigen, schnitt sich Giuliani ins eigene Fleisch. Die geplante Großauktion rief massive Proteste auf den Plan. Verkauft wurden die Gärten dennoch, aber nicht an Bauunternehmer sondern an sogenannte Land Trusts", gemeinnützige Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, wertvolle Naturgrundstücke aufzukaufen, um sie auf Dauer vor der Zerstörung zu schützen. Das Ziel Giulianis, sich der sein politisches Weltbild störenden basisdemokratischen Stadtteilarbeit zu entledigen, war damit fehlgeschlagen. Dieser Teilerfolg gab statt dessen der Bewegung zur Rettung der Community Gardens sogar neuen Auftrieb. Unterstützung vom Staatsanwalt Die Zerstörung des Esperanza Gardens Anfang diesen Jahres heizte die Diskussion weiter an. Die Basisgruppe More Gardens" organisierte den Widerstand gegen die Räumung. Tag und Nacht bewachten Menschen den Garten. Übernachtet haben dabei die AktivistInnen in einer Hütte, die wie ein überdimensionaler Frosch gestaltet war. Als die Bulldozer den seit 22 Jahren existierenden Garten niederwalzten, kommentierte der Bürgermeister: Wenn sie in einer unrealistischen Welt leben, können sie sagen, alles sollte ein Community Garden sein." Die Doppelmoral in der Argumentation Giulianis wurde immer offensichtlicher: Er propagiert die Zerstörung der Gärten, weil sie für sozialen Wohnungsbau benötigt würden. Doch hier, wie bei vielen anderen Bauprojekten, die auf den Gartengrundstücken geplant sind, ist nur ein Bruchteil der Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen geplant, der Rest wird zu den marktüblichen Mieten vergeben. Die Proteste wurden energischer und bekamen Unterstützung von unerwarteter Seite: Der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New York, Eliot Spitzer, entpuppte sich als den Community Gardens sehr freundlich gesonnen, schon 1999 verhinderte er mit einer einstweiligen Verfügung eine Versteigerung von 115 Gärten. Nun erweiterte er diese Verfügung, die der Stadt vorläufig verbot, weitere Gärten zu zerstören. Sie gilt solange, bis über einen Gesetzentwurf entschieden ist, der den Community Gardens den gleichen Status wie Parkanlagen verleiht. Denn diese dürfen nur nach einer Überprüfung nach strengen umweltpolitischen Kriterien bebaut oder anderweitig genutzt werden. Deshalb wollen die GartenunterstützerInnen nun verstärkt Druck auf die Politiker ausüben, damit solch ein Gesetz verwirklicht wird. Neue Bündnisse und viele Fragen Gleichzeitig diskutieren viele AktivistInnen darüber, neue politische Bündnisse einzugehen, um damit dem von Giuliani und anderen Politikern betriebenen Versuch, Interessen gegeneinander auszuspielen, entgegenzuwirken. Wir wollen mehr mit denen zusammenarbeiten, die in der Wohnungspolitik aktiv sind, indem sie etwa gegen die Zerstörung von billigen Wohnraum kämpfen. Der Kampf für grüne Freiräume in der Stadt und bezahlbaren Wohnraum gehört für uns zusammen", sagt eine Aktivistin aus der South Bronx. Mit der Politisierung kommt für einige aber auch die Kritik an der eigenen Rolle in einer fast auschließlich nach marktwirtschaftlichen Kriterien orientierten Stadtplanung. Nicht wenige sehen sich als Opfer einer Entwicklung, die sie selbst mit eingeleitet haben. Alternative Ideen wie die Communty Gardens haben zwar die Lebensqualität für die Bewohner bislang unterprivigierter Stadtteile erhöht, aber eben diese auch für Menschen mit hohen Einkommen attraktiv gemacht. Die Lower East Side, in der Liz Christy alles ins Rollen brachte und in der heute noch viele Gärten existieren, ist mittlerweile ein Tummelplatz für Yuppies geworden. Sue von More Gardens" bringt es auf den Punkt: Auch wenn wir es schaffen, die Gärten zu retten wenn die Entwicklung hier in der Lower East Side so weitergeht, sind vielleicht viele von uns nicht mehr da, wir hätten dann nur eine weitere Attraktion für die Yuppies geschaffen." Michael Philips |
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