Ausgabe 12 - 2000 berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Wenig Hoffnung für das Experiment „Ex"

Die legendäre Kneipe im Kreuzberger Mehringhof soll Ende Januar 2001 schließen

Die Institution der linken Berliner Szene, das Kneipen- und Kulturprojekt Ex im Mehringhof in der Gneisenaustraße 2a, steht vor dem Aus. Das Plenum beschloss die Schließung zum 31. Januar 2001. Das einmalige Experiment des aus verschiedenen politischen Gruppierungen bestehenden, selbstverwalteten Kulturprojekts soll damit beendet werden. Die Gründe für diese drastischen Maßnahme sind zahlreich. Immer mehr Arbeit blieb an zu wenig Leuten hängen, neue Organisationskonzepte scheiterten. Der Mietvertrag ist bereits gekündigt.

„Neues und gastronomieerfahrenes (Kneipe und Küche) Kollektiv (nichthierarchische Gruppe) zum 1.2.2001 gesucht. Es sollte sich als Teil der linken Infrastruktur begreifen und auch ein finanziell tragfähiges Konzept vorlegen", steht in Zeitungsanzeigen des Mehringhofs. Trotz der völlig unklaren Zukunft des Ex läuft der Kneipen- und Veranstaltungsbetrieb bis zur großen Abschiedsparty am 27. Januar 2001 weiter.

Erst vor drei Jahren wurde das Projekt im letzten Moment gerettet. Das „alte Kollektiv" hatte aufgehört, vier Wochen blieb das Ex geschlossen. Dann wurde es von einem „äußerst seltenen Potpourri" von knapp 100 Menschen aus 20 linken und autonomen Gruppierungen im Alter zwischen 17 und 57 Jahren übernommen.

Anfangs lief es gut. Jede Gruppe übernahm oft auch ohne Lohn Tresenschichten oder Büroarbeiten. Seit Ende 1999 gab es jedoch Schwierigkeiten in der Kommunikation, weil das Kollektiv sehr groß war. Hinzu kamen finanzielle Engpässe, vor allem weil kontinuierlich weniger Gäste sowohl beim „normalen" Kneipenbetrieb als auch zu den Veranstaltungen kamen.

Das 1980 unter dem Namen „Specki" gegründete Kneipen- und Kulturprojekt war in den achtziger Jahren ein Kristallisationspunkt der Szene. Die gesamte Arbeit des Projekts organisierte damals ein hauptamtliches Kollektiv von bis zu zwanzig Personen, die einen „Einheitslohn" erhielten.

Nach dem Mauerfall verlagerten sich größere Teile der Szene nach Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Kreuzberg 61, wo der Mehringhof zu Hause ist, verlor an Bedeutung. Trotzdem blieb das Ex auch in den neunziger Jahren Info-, Vernetzungs- und Mobilisierungsstelle für Antifa-, Hausbesetzungs-, oder Anti-Atom-Aktionen. Aber trotz neuer Polit- und Kulturinitiativen war die Krise nicht mehr aufzuhalten. Mieten und Löhne konnten nicht mehr bezahlt werden, eine Schuldenspirale begann sich zu drehen. Das Kulturzentrum betonte dennoch immer seine Unabhängigkeit und erhielt bis heute niemals öffentliche Zuschüsse oder Spenden.

Vielleicht gibt es ja im Januar 2001 noch mal eine Rettung.

Jochen Mühlbauer

16. Dezember um 21 Uhr,

LesBiSchwulTransQueer-Party

24. Dezember um 22 Uhr,

Traditionsparty Nightmare X-Mas

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