Ausgabe 09 - 2000berliner stadtzeitung
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Problemzonen-Kosmetik am Brennpunkt Zoo

Videoüberwachung zum Wohle des Volkes

Steter Tropfen höhlt den Stein. Seit geraumer Zeit fordert die CDU die Video-überwachung öffentlicher Plätze. Im Verein mit der SPD hat sie bis jetzt erreicht, dass besonders schutzbedürftige Objekte wie Botschaften oder Friedhöfe ins Visier der Kameras genommen werden können. Aber das war erst der Anfang. Sie will mehr. Deshalb hat die Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz (GSE) im Auftrag der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus ein Gutachten erstellt, das die Möglichkeiten zur Überwachung des Hardenbergplatzes auslotet.

Wie nicht anders zu erwarten, gehen die Verfasser von einem gesteigerten Sicherheitsbedarf aus, der allein durch die Videoüberwachung effektiv zu befriedigen sei. Das Beispiel Leipzig habe gezeigt, dass es sich um ein geeignetes und angemessenes polizeiliches Mittel zur" Kriminalitätsbekämpfung" handele. Gerade beim Bahnhof Zoo und seinem Umfeld habe man es mit einer "Problemzone" zu tun, schlimmer noch: mit einem "Brennpunkt, den es zu befrieden" gelte.

Die Bevölkerung wissen die Verfasser des Gutachtens auf ihrer Seite. Die Menschen fühlten sich nicht durch den Staat bedroht, sondern umgekehrt frage man: "Wie schützt mich der Staat vor Kriminalität, was tut er für meine Sicherheit." Um die Bevölkerung vollends auf die Seite der Polizei zu ziehen, empfehlen sie eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit. Hinweistafeln und die Verteilung von Handzetteln halten sie für geeignete begleitende Maßnahmen.

Sodann stellt das Gutachten drei Konzepte zur Videoüberwachung vor. Eine Bewertung bleibt zwar aus, aber eines wird nur zu klar: Die Überwachung des Hardenbergplatzes ist erst der Anfang. Die Ausspähung wird als "Pilotprojekt" verstanden, als "Einstiegsvariante", die "genügend Ressourcen für nachträgliche Erweiterungen bietet". Eine der drei vorgestellten Konzeptionen sieht auch die Überwachung von Plätzen in anderen Bezirken mit "Rastererkennungssoftware" vor.

Man ist versucht, das Gutachten zu belächeln, denn die Analyse ist dürftig und die Sprache holprig, zuweilen unverständlich. Die hin und wieder eingestreuten Merksätze wie "Prävention ist eines (ergänze: der) vornehmsten Ziele polizeitaktischer Maßnahmen" oder "Die öffentliche Videoüberwachung wird die Sicherheit erhöhen" sind einfach putzig. Sich über das Papier bloß lustig zu machen, aber hieße, seine Bedeutung zu unterschätzen. Der Auftraggeber hat einen langen Atem. Unbeirrt verfolgt er sein Ziel. Und steter Tropfen hat bislang noch jeden Stein gehöhlt.

Benno Kirsch

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