Ausgabe 07 - 2000berliner stadtzeitung
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Rentenmodell mit der deutsch-deutschen Freundschaft

Die Selbsthelfer in der Schliemannstraße 40 haben ihr Haus nur gepachtet - eine Geschichte über die seltsame Konstellation vom Eigentümer als Architekten und das ebenso seltsame Gebaren der IBB

In 19 Jahren Selbsthilfe ist in Berlin noch nie ein Selbsthilfeprojekt gescheitert, das einen Fördervertrag mit dem Senat abgeschlossen hat. Entweder gaben die Projekte angesichts des bevorstehenden Kraftaktes und der langen Wartezeiten vorher auf, oder sie zogen es nach der Vertragsunterzeichnung durch. Die Schliemannstraße 40 in Prenzlauer Berg, getragen vom gemeinnützigen Verein "DDF", schien dieses Frühjahr knapp davor, das erste zu sein. Die Investitionsbank Berlin (IBB) verweigerte die Auszahlung des Darlehens wegen fehlender "dinglicher" Absicherung. Auf einmal war kein Geld zum Bauen mehr da, die Maschinen ruhten und Bauleiter Thomas Wellenbrock musste entlassen werden.

Die Selbsthelfer vom DDF waren schockiert. Der Fördervertrag war schließlich schon 1997 abgeschlossen worden, und den hatte auch die IBB mit unterschrieben. Seit 1998 bauten sie an ihrem Gebäude, und bis auf das Vorderhaus ist inzwischen alles fertiggestellt. 1999 wurden jedoch als Folge der Affäre um den Pleite gegangenen Baulöwen Jürgen Schneider die Bankrichtlinien verändert. Und da das Grundbuch der Schliemannstraße 40 "zu" war wegen eines Kredites zum Kauf des Hauses, fand die IBB keine Sicherheiten für ihr Darlehen mehr.

Durch die Selbsthelfer ist das Grundbuch nicht belastet, denn ihnen gehört das Haus gar nicht. Eigentümer sind die Architekten Uwe Drepper und Georg Wasmuth. Die kauften es 1995 für 800 000 Mark, nachdem sie mit den Bewohnern vorher abgesprochen hatten, dass die es in Selbsthilfe modernisieren würden. Dafür gaben sie dem DDF einen 20-jährigen Pachtvertrag.

DDF heißt deutsch-deutsche Freundschaft. Der Name steht, so Vorstandsmitglied Kora Kuckuck, für die Freundschaft zwischen Ost- und Westdeutschen. Leute aus Ost und West besetzten das Haus 1990 und gründeten bald darauf den Verein. 1991 erhielten die Besetzer Mietverträge vom damaligen Besitzer, der WIP, die das Haus dann an einen Spekulanten verkaufte. 1995 standen die Bewohner vor der Entscheidung, das Haus selber zu kaufen oder wohl bald ausziehen zu müssen.

Ungewöhnliche Symbiose

Geld war aber nicht da, und in diesem Moment traten die Architekten Drepper und Wasmuth auf, die auf der Suche nach einem "Rentenmodell" zur Finanzierung des Lebensabends waren, wie Uwe Drepper freimütig erklärt. Für die Bewohner wie die Architekten schien es eine gute Lösung zu sein. Die einen wollten in ihrem Haus bleiben, das inzwischen dringend sanierungsbedürftig war. Uwe Drepper nennt es sogar eine "Ruine", nicht einmal das Abwasser habe mehr funktioniert. Drepper und Wasmuth hatten dagegen kein Eigenkapital und bekamen den Kredit der Bank zum Kauf des Hauses überhaupt nur mit der Sicherheit des Selbsthilfe-Fördervertrags im Hintergrund, wie Drepper zugibt.

Die Gesamtsumme für die Sanierung wurde im Fördervertrag auf 5 Millionen Mark festgelegt. 15 Prozent dieser Summe sollten die Selbsthelfer in Eigenarbeit erbringen, 85 Prozent sollten im Laufe der Jahre vom Land Berlin ausgezahlt werden, die erste Hälfte als Baukostenzuschuss, die zweite als Kredit von der IBB. An der Erstellung des Sanierungsplanes und damit auch an der Höhe der Kosten wirkten Drepper und Wasmuth maßgeblich mit. Ihre Bedingung für den Pachtvertrag mit dem Verein war nämlich, dass die Eigentümer auch die Architekten der Sanierung würden. Ein Auftrag, der ihnen laut Jörg Lampe vom DDF genau 841 920 DM einbringt. Drepper nennt 15 Prozent der Nettobausumme als das vereinbarte Honorar, was etwa eine halbe Million Mark ergäbe. So lohnend sei das aber nicht angesichts der langen Bauzeit von drei Jahren und dem hohen Betreuungsaufwand, den ein Selbsthilfeprojekt erfordere. Mit der IBB war zudem in einem Zusatzvertrag vereinbart, dass die Eigentümer das Haus fertigstellen, falls der Fördernehmer, also der Verein, ausfällt - zu einem erhöhten Eigentanteil von 25 Prozent.

Dachgarten oder Penthouse

Die Schwierigkeiten begannen schon wenige Monate nach Baubeginn. Die Vereinsmitglieder sind allesamt keine Bauexperten. Die von den Architekten bestellten Heizkörper schienen teurer als nötig und eine Fundamentverstärkung nicht dem von den Bewohnern gewünschten Dachgarten zu dienen, sondern einem von den Eigentümern an dessen Stelle geplanten Penthouse. Das Misstrauen wuchs. Das Geld vom Senat wurde schneller verbraucht als geplant. Wollten die Eigentümer die Kosten so weit in die Höhe treiben, dass der Verein sein Fördergeld vorzeitig verbraucht hätte und nicht mehr weitermachen konnte - um das Haus kurz vor Fertigstellung selbst übernehmen zu können? Sollte "der Uwe", dieser Alt-68er, mit dem sie ein Duz-Verhältnis hatten, sie am Ende doch über den Tisch ziehen wollen?

Uwe Dreppers Gesicht liegt ob dieser Vorwürfe in angestrengten Falten. Das Misstrauen sei absolut unbegründet. Die Wohnung anstelle des Dachgartens habe er zur Aufwertung des Gebäudes zwar gewollt, sie sei aber vom Verein abgelehnt worden, was er aktzeptiert habe. Eine Dachbegrünung sei im übrigen schwerer als jede Wohnung, deshalb die Arbeiten am Fundament. Er sieht die Ursache für den hohen Geldverbrauch viel mehr darin, dass die Bewohner, teils auch aus Überforderung, ihre Eigenleistung einfach nicht erbracht und zuviel Honorarkräfte beschäftigt hätten. Auch gehe die Effektivität ihrer Selbsthilfe, überspitzt formuliert, "gegen Null". Die Leistungen nach dem im Fördervertrag festgelegten Katalog des Sanierungsträgers S.T.E.R.N. seien nicht erbracht worden. Anders ausgedrückt, die Selbsthelfer hätten für viel Arbeit und Geld zu wenig zustande gebracht. Drepper meint, die Vereinsmitglieder seien eben alles Leute, die Kunst und Kultur machen wollten, eigentlich sogar erst dabei seien, ihr eigenes Leben aufzubauen. Sie hätten gar nicht gewusst, was mit der Selbsthilfe wirklich auf sie zukomme.

Die finanzielle und bauliche Seite scheint sich zumindest jetzt doch klären zu lassen. Der Stadterneuerungsabteilungsleiter bei der Senatsverwaltung, Dieter Geffers, gab inzwischen eine Anweisung an die IBB heraus, das Geld an den Fördernehmer DDF auszuzahlen. Vertrag ist schließlich Vertrag, und dass der Verein keine Sicherheiten hat, war schon bei der Unterzeichnung des Fördervertrags klar. S.T.E.R.N. kümmert sich jetzt mehr um die Einhaltung des "Katalogs". Auch die Selbsthelfer, die sich vom Sanierungsträger zeitweise ein wenig im Stich gelassen gefühlt hatten, sind inzwischen zufriedener mit ihrer Betreuung. Zudem sieht sich Fabian Tacke vom AKS (Arbeitskreis Berliner Selbsthilfegruppen) die Pläne der Architekten an und versucht zu helfen, was von beiden Seiten begrüßt wird. Allerdings hat es sich der Verein wohl auch selber etwas schwer gemacht. In den letzten zwei Jahren gab es zweimal einen Vorstandswechsel, und jeder neue Vorstand muss sich in die Materie erst einarbeiten. Uwe Drepper bot den Selbsthelfern sogar eine Mediation an, aber die Personen, die er dafür vorschlage, lehnten die Bewohner eben wegen ihres Misstrauens gegen ihn ab, sagt er mit Bedauern.

Wer kriegt das Geld?

Es scheint also weitergehen zu können mit der Schliemannstraße 40 - doch jetzt kommt wieder die IBB ins Spiel. Die schickt nämlich am 29.Juni einen Brief an die Eigentümer-Architekten, in dem sie ihnen das Darlehen anbietet, dass sie dem Verein verweigert hat. Begründung laut Drepper: Der Verein biete keine Sicherheit für die Rückzahlung, da er sich ja jederzeit auflösen könne. Die Eigentümer, sagt Drepper, hätten aber auch keine Bonität. Das scheint der IBB auf einmal egal zu sein. Drepper ist diese Version dennoch unsympathisch, sein Partner und er wären dann nämlich selbstschuldnerische Bürgen. Drepper meint trotzdem, wenn es gar nicht anders ginge, würde er das machen, "um den Verein zu retten". Fabian Tacke vom AKS, der Interessenvertretung der Selbsthilfegruppen, findet das Darlehensangebot der IBB an den Eigentümer "ein starkes Stück". Die Verträge seien schließlich mit dem Verein geschlossen. Drepper sagt, er habe das Schreiben der IBB über S.T.E.R.N. an den Senat weitergeleitet, doch dem Sachgebietsleiter für das Förderprogramm, Stahns, ist von dem Brief noch nichts bekannt.

Egal wie das Ganze nun ausgeht, eins scheint auf jeden Fall klar: Uwe Drepper und Georg Wasmuth werden wohl so oder so mit dem Gebäude in der Schliemannstraße 40 zu ihrem nach der Sanierung millionenschweren Rentenmodell kommen - ob mit oder ohne deutsch-deutsche Freundschaft, aber ganz ohne Eigenkapital und finanzielles Risiko.
Bernd Hettlage

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