Ausgabe 07 - 2000berliner stadtzeitung
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Spannerfreuden

An der Bammelecke lässt sich Interessantes beobachten

Widrige Winde gibt es an der Bammelecke in Berlin-Grünau. Segelyachten kreuzen auf dem Langen See hin und her, kämpfen mit unerwarteten Böen. Ist der Wind zu stark oder wechselt er überraschend die Richtung, neigen sich die Yachten und die Segler beginnen, laut auf das Wetter zu schimpfen. Sie werden nervös und schreien unverständliche Fachbegriffe wie "Schot fieren!", worauf nicht selten ein Boot umkippt. Dann klatschen die Segel auf das Wasser, die Segler schwimmen um ihr Boot herum und streiten, wer am Kentern Schuld sei.

Das macht es so interessant, an einem windigen Sommertag am Badestrand der Bammelecke auf dem Handtuch zu liegen. Sogar ein großes Kajütboot mit einer ganzen Schulklasse an Bord soll hier schon umgefallen sein. Denn an der Bammelecke hat der See einen rechtwinkligen Knick, und der Wind, der immer längs der Seen entlangbläst, trifft hier aus zwei Richtungen aufeinander. Das kann den ruhigsten Kielbootkapitän aus der Fassung bringen, den am Ufer liegenden Badebesucher lässt es allerdings kalt. Er schaut einfach zu und genießt die Bilder. Vor einigen Jahren war es hier noch aufregender, damals gab es hier eine Station des Wasser-Rettungsdienstes. Wenn einem Motorboot mitten in der Fahrrinne das Benzin ausging oder eine kleine Jolle kenterte, rannten vier Männer von ihrem Hochsitz, sprangen in den Rettungskreuzer und rasten mit Blaulicht und Sirene auf den See hinaus. Das hatte etwas von Baywatch.

Ein Strand und wilde Badestellen zwischen Bäumen und Schilf säumen das Ufer der Bammelecke, wo die Wellen gegen Kiefernstämme glucksen. Es lohnt sich, auf die nähere Umgebung des Liegeplatzes Acht zu geben: Hier trifft man sowohl einsame Frauen als auch alte Ehepaare mit der Ausstrahlung von Dauercampern. In den lichten Nadelwäldern am Ufer kampieren Jugendcliquen mit Kassettenrecordern, und zuweilen leuchten nachts Lagerfeuer. Der helle Strandsand reicht weit in den See hinein. Gebadet wird meist nackt. Wer das nicht mag, sollte schnell in den See laufen, wo trübes Wasser die Blößen verdeckt. Der Lange See ist nie klar, sondern stets etwas undurchsichtig, manchmal gar fast blickdicht, leider. An der Bammelecke kann man auch Flugzeuge zählen. Die fallen zwar nicht so oft ins Wasser wie die Segler, sind aber sehr schön anzusehen, wenn sie so tief fliegen wie hier in der Einflugschneise zum Schönefelder Flughafen. An der Bammelecke kann der Yuppie-Jetter, der vielleicht lieber im See schwimmen möchte als zu seinen Terminen hetzen, durch ein rundes Fenster auf den Strandfaulenzer schauen. Der guckt sich die farbigen Muster auf den Heckflügeln der Pauschalflieger an oder das strenge Design der Linienmaschinen. Noch schöner ist es in der Abenddämmerung - faszinierend funkeln die Boeings und Tupolews, wenn ihre Scheinwerfer leuchten.
Christian Domnitz

Bammelecke, Straßenbahn 68 ab S-Bhf. Grünau Richtung Alt-Schmöckwitz, Haltestelle Richtershorn.

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