Ausgabe 07 - 2000berliner stadtzeitung
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Wider das irreale Marschgepäck

Vorträge und Abhandlungen von Herbert Schnädelbach

Abschied vom Idealismus, Abschied von Hegel - es ist schon bemerkenswert, welchen breiten Raum in Herbert Schnädelbachs neuem Buch das einnimmt, was man als Vatermord bezeichnen könnte; denn Schnädelbach, seit 1993 Philosophieprofessor an der Humboldt-Universität und kurz vor der Emeritierung stehend, hat einst bei Adorno in Frankfurt über Hegel promoviert. In den Aufsätzen aus der Zeit seit der Berufung nach Berlin verteidigt Schnädelbach nun Kant gegen Hegel als der "Philosophen der Moderne", erklärt das Frankfurter Programm einer Kritischen Theorie nicht nur für gescheitert, sondern macht es verantwortlich für politische Apathie und "Terror von links". Außerdem finden sich Beiträge über Marx´ im Foyer der Humboldt-Universität angebrachte "11. Feuerbach-These", über die "Grenzen des Historismus", Intentionaliät und Sprache, sowie Umrisse einer seit langem angekündigten Rationalitätstheorie.

Es ist nur folgerichtig, daß Schnädelbach, der den großen Würfen und systematischen Geltungsansprüchen mißtraut, nun schon in dritter Folge "Vorträge und Abhandlungen" vorlegt, jedoch seit bald 20 Jahren mit keiner größeren Arbeit hervorgetreten ist. "Selbstbehauptung der Vernunft" ist das Motto dieser Philosophie der hochgekrempelten Ärmel und der begrenzten Geltungsansprüche nach dem Ende der Utopien und all dieser Flausen.

Das ist ernüchternd, Kärrnerarbeit am Begriff, Vorläufiges, solide Arbeit. Verräterisch jedoch, wie der Philosoph im Aufsatz über das "kulturelle Erbe der Kritischen Theorie" vom "Lebensgefühl der wirklich Jungen" - ihm offenbar denkbar weit entrückt - schreibt, die noch nicht "wie wir resigniert haben." Wer aber mag sich hinter diesem "wir" verbergen? Die 68er-Generation, die Philosophen, die als Nicht-Marxisten und Nicht-Poststrukturalisten diesen Namen laut Schnädelbach verdienen? Die neuen Neukantianer?
Florian Neuner

Herbert Schnädelbach: Philosophie in der modernen Kultur. Vorträge und Abhandlungen 3, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, 24,80 DM

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