Unfaßlich! Form?

Gedichte und gedichtähnliche Stücke von Christian Steinbacher

Gedichte, so hört man heute allenthalben, erfreuten sich wieder wachsender Beliebtheit, und tatsächlich können Veranstaltungen wie die jährliche "Sommernacht der Lyrik" über Besuchermangel nicht klagen. In diesem Jahr geht man damit sogar an den Potsdamer Platz. Doch es sind immer nur die Rapper und Slam-Poeten, es ist ein Robert Gernhardt mit seiner gediegenen Handwerklichkeit, die das große Publikum erfreuen. Die ernsthaften Arbeiter mit dem Material der Sprache, seine Erforscher sind es nicht. So droht der neue Gedichtband von Christian Steinbacher, der in Linz auch einen ambitionierten Verlag betreibt, im Getriebe übersehen zu werden. Unter dem Titel der wandel motzt sind in diesem Band "Gedichte und gedichtähnliche Stücke" aus zehn Jahren versammelt - eine lyrische Summe des 1960 geborenen Autors.

Steinbacher jongliert mit Textmaterial aus der Tradition, kombiniert Musil mit Proust, antwortet auf ein von Schubert vertontes Gedicht oder interessiert sich für den Sprachfluß "im Vor- und Nachfeld der Entstehung eines Gedichtes". Niemals aber sind es starre Konzepte, für welche die einzelnen Texte einstehen müssen. Steinbachers Schreiben ist geleitet von einer "Hoffnung auf Verfransung", wie es in einem Gedichttitel heißt, immer wieder weist ihn das Konzipieren "aus den Schranken". In der Kombinatorik entstehen neue, überraschende Sinnzusammenhänge; es ist der Versuch, Sprache so zu drehen und zu wenden, auch zu verbiegen, daß ein Sprechen jenseits der Klischees möglich wird. Der Gefahr, dabei einer überbordenden, nicht mehr kanalisierten Sprach- und Sprechlust zu erliegen wie ein Christian Uetz entgeht er ebenso: Jedes Wort in diesen Gedichten ist präzise gesetzt, Spieltrieb und Disziplin verbinden sich glücklich, treu dem Motto: "in den bereits eingefahrenen bahnen/die hände gut abschütteln,/dann drücken".
Florian Neuner

Christian Steinbacher: der wandel motzt. edition ch, Wien 2000, 20 DM