Ausgabe 07 - 2000berliner stadtzeitung
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Bremerhaven, Freitag, 27. Juli 1900

Der in China ausgebrochene Aufstand der "Faust-Rebellen" oder auch "Vereinigung für Recht und Eintracht", von den Europäern kurz Boxer und entsprechend Boxeraufstand genannt, führte zum Eingreifen der europäischen Mächte, einschließlich des Deutschen Reiches. Wilhelm II. verabschiedete die deutschen Soldaten am 27. Juli 1900 mit der folgend dokumentierten Rede, die als "Hunnenrede" in die Geschichte einging.
Falko Hennig

"Zum ersten Mal, seit das deutsche Reich wieder erstanden ist, tritt an Sie eine große überseeische Aufgabe heran. Dieselben sind früher in größerer Ausdehnung an uns herangetreten, als die meisten Meiner Landsleute erwartet haben. Sie sind die Folge davon, daß das deutsche Reich wieder erstanden ist und damit die Verpflichtung hat, für seine im Ausland lebenden Brüder einzustehen im Momente der Gefahr. Mithin sind nur die alten Aufgaben, die das alte römische Reich nicht hat lösen können, von neuem hervorgetreten und das neue deutsche Reich ist in der Lage sie zu lösen, weil es ein Gefüge bekommen hat, das ihm die Möglichkeit dazu giebt.

Durch unser Heer, in 30 jähriger angestrengter, harter Friedensarbeit, sind viele hunderttausende von Deutschen zum Kriegsdienste herangebildet worden. Ausgebildet nach den Grundsätzen Meines verewigten großen Großvaters, bewährt in drei ruhmvollen Kriegen, sollt ihr nunmehr auch in der Fremde drüben ablegen, ob die Richtung, in der wir uns in militärischer Beziehung bewegt haben, die rechte sei.

Eure Kameraden von der Marine haben uns schon gezeigt, daß die Ausbildung und Grundsätze, nach denen wir unsere militärischen Streitkräfte ausgebildet haben, die richtigen sind und an Euch wird es sein, es ihnen gleich zu thun. Nicht zum geringsten erfüllt es uns alle mit Stolz, daß gerade aus dem Munde auswärtiger Führer das höchste Lob unsern Streitern zuerkannt wurde.

Die Aufgabe, zu der Ich Euch hinaussende, ist eine große. Ihr sollt schweres Unrecht sühnen. Ein Volk, das, wie die Chinesen, es wagt, tausendjährige alte Völkerrechte umzuwerfen und der Heiligkeit der Gesandten und der Heiligkeit des Gastrechts in abscheulicher Weise Hohn spricht, das ist ein Vorfall, wie er in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen ist und dazu von einem Volke, welches stolz ist auf eine viel tausendjährige Cultur. Aber Ihr könnt daraus ersehen, wohin eine Cultur kommt, die nicht auf dem Christenthum aufgebaut ist. Jede heidnische Cultur, mag sie noch so schön und gut sein, geht zu Grunde, wenn große Aufgaben an sie herantreten.

So sende Ich Euch aus, daß Ihr bewähren sollt, einmal Eure alte deutsche Tüchtigkeit, zum zweiten die Hingebung, die Tapferkeit und das freudige Ertragen jedweden Ungemachs und zum dritten Ehre und Ruhm unserer Waffen und Fahnen. Ihr sollt Beispiele abgeben von der Manneszucht und Disciplin, aber auch der Ueberwindung und Selbstbeherrschung. Ihr sollt fechten gegen eine gut bewaffnete Macht, aber Ihr sollt auch rächen nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch vieler Deutscher und Europäer.

Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hand fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Ueberlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.

Ihr werdet mit Uebermacht zu kämpfen haben, das sind wir ja gewöhnt, unsere Kriegsgeschichte beweist es. Ihr habt es gelernt aus der Geschichte des Großen Kurfürsten und aus Eurer Regimentsgeschichte. Der Segen des Herrn sei mit Euch, die Gedanken eines ganzen Volkes begleiten Euch, geleiten Euch auf allen Euren Wegen. Meine besten Wünsche für Euch, für das Glück Eurer Waffen werden Euch folgen! Gebt, wo es auch sei, Beweise Eures Muthes, und der Segen Gottes wird sich an Eure Fahnen heften und es Euch geben, daß das Christenthum in jenem Lande seinen Eingang finde. Dafür steht Ihr Mir mit Eurem Fahneneid, und nun glückliche Reise. Adieu Kameraden."

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