Ausgabe 06 - 2000berliner stadtzeitung
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Tierheim Lankwitz: Stadt der Tiere

Berliner gelten als tierlieb. Ist das größte deutsche Tierheim ein Beleg dafür?

Wie geht eine Metropole mit ihren Vierbeinern um? Berlins Katzen und Hunde begleiten als Haustiere den Stadtmenschen, der seine tierischen Mitbewohner im Allgemeinen liebt, für sie sorgt, sie gelegentlich jedoch vergisst oder verliert oder manchmal - auch das kommt vor - loswerden will und aussetzt. Aber: Die Metropole reflektiert über ihren tierischen Umgang und zeigt sich dabei von einer menschlichen Seite. Der Tierschutzverein für Berlin (TVB) mit 18000 Mitgliedern hat ein Tierheim, das auf hundert Jahre Geschichte zurückblicken kann. Das Tierheim Lankwitz mit seinen 60 Mitarbeitern und weiteren 150 ehrenamtlichen Tierschutz-Inspektoren sorgt sich um herrenlose Tiere, die ohne Hilfe den Kampf und Stress in der Stadt nicht überleben würden. Jährlich über 6000 Hunde, bis zu 8000 Katzen, aber auch Meerschweinchen, Kaninchen oder Wellensittiche betreut das größte Tierheim der Bundesrepublik.

Insgesamt betreut das Tierheim Lankwitz ungefähr 22000 Tiere pro Jahr. Dazu zählen Tiere, die manchmal nur wenige Stunden im Heim verweilen, bis sie von ihren besorgten Besitzern wieder abgeholt werden. Dazu zählen auch Tiere, die ein bis zwei Jahre auf eine Vermittlung warten. Der Aufenthalt eines Tieres in Lankwitz kann die unterschiedlichsten Ursachen haben. "Jemand zieht um. Der neue Vermieter duldet keine Hunde", beginnt Claudia Pfister, Pressesprecherin des Tierheims, aufzuzählen. "Oder jemand wird arbeitslos und kann sich das Tier einfach nicht mehr leisten. Oder man bekommt plötzlich eine Katzenhaar-Allergie." Die Leute würden dann einen Betrag bezahlen und ihre Tiere im Heim abgeben. "Das ist meistens mit Tränen verbunden", sagt Claudia Pfister und fügt hinzu, dass auch umgekehrt manch einer sein Tier erschreckend herzlos abgebe. Das Tierheim ist keine Endstation. Alle Tiere sollen vermittelt und gegen Schutzgebühren verkauft werden. Am besten an Städter, die sich nichts sehnlicher als ein Tier wünschen.

Das Tierheim im Internet

Seit Februar hat das Tierheim seine eigene Homepage: www.tierschutz-berlin.de. Manuel Knör ist Geschäftsführer einer Internet-Design-Agentur in Falkensee. Und er ist Tierfreund. Deshalb sponsert er zu hundert Prozent die Seiten, die über die Tiervermittlung informieren. Zu einigen Hunden und Katzen gibt es sogar Porträts mit Foto. "Allerdings kann und darf sich niemand sein Tier per Mausklick bestellen. Das muss auch gar nicht sein. Schließlich wollen die Interessenten ihre neuen Hausgenossen persönlich kennenlernen", sagt Claudia Pfister, die insgesamt eine positive Bilanz aus dem Internet-Auftritt zieht: "Vor allem unser Service-Angebot zum präventiven Tierschutz wird gut angenommen." Dazu gehören hilfreiche Tipps für Berliner, die Hund oder Katze vermissen, sowie Seiten zum Thema "Tiere und Urlaub". Gewerbliche Tierpensionen seien oftmals Alternativen, von denen leider zu wenige wüssten. Außerdem unterstütze der simple Hinweis, dass Urlaub mit dem Tier auch Spaß mache, die Tierhalter in ihren Urlaubsplanungen.

Die Tiersammelstelle

Sie ist ein Fundbüro für Tiere. Als Dienststelle des Landeseinwohneramtes gehört sie nicht direkt zum Tierheim, befindet sich aber in seinen Räumen in Lankwitz. Die amtlichen Tierfänger bringen aus der ganzen Stadt herumstreunende Hunde, die als herrenlos aufgefallen sind, zur Tiersammelstelle. Wenn sich tatsächlich kein Besitzer meldet, wird ein Hund nach einer gesetzlichen Wartefrist von 5 Tagen vom Tierheim übernommen. Unter der Telefonnummer 76 888 132 geben die oftmals aufgeregten Besitzer ihre Vermisstenanzeigen auf. Hier rufen auch die Finder an. Das Prinzip "Fundbüro" klappt nur, wenn die Hotline-Nummer stadtbekannt ist.

Baustelle: Ein neues Tierheim

Die Bauarbeiten im Hohenschönhausener Ortsteil Falkenberg sind in vollem Gang. Ab Spätherbst 2000 soll dort auf einer Fläche, so groß wie 30 Fußballfelder, ein neues Tierheim entstehen. Die Infrastruktur aus Lankwitz wird übernommen und vergrößert: Wohnkäfige und -gehege, eine Krankenstation und - zwar oft belächelt, aber gern angenommen - ein Tierfriedhof. Es soll ein modernes und artgerechtes Tierheim werden, das Platz für 500 Hunde und 700 Katzen, Kleintiere und Exoten bietet. Das Projekt ist jedoch noch nicht finanziert. Es werden noch Patenschaften und Spenden der gesucht.

Die neue "Tierstadt" wird in Falkenberg, inmitten des Landschaftsparks Niederbarnim gebaut. Auch das Tierheim Lankwitz war vor hundert Jahren fernab der Großstadt das einzige Gebäude zwischen Wiesen und Feldern. Nach und nach ereilte auch Lankwitz die Urbanisierung. Anwohner beschwerten sich über bellende Hunde, die nach und nach auf ihren Auslauf verzichten mussten. In Falkenberg werden Gerichtsprozesse ruhebedürftiger Großstadtmenschen der Vergangenheit angehören. Wie geht eine Metropole mit ihren Vierbeinern um? Sie entlässt sie in die Provinz.
Sven Schade

Tierheim Lankwitz, Dessauerstraße 21-27, 12249 Berlin, fon 76 88 80, fax 772 10 66,
Spenden an den Tierschutzverein:
Kto.Nr. 35600-105, PGA Berlin, BLZ 100 100 10

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